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Der Goldene Kompass

Der Goldene Kompass

Titel: Der Goldene Kompass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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Palast statt, nicht im Ruhezimmer von Jordan College.
    Eine andere Sache war das Gerücht, das die Dienerschaft des College seit Tagen in Atem hielt. Es hieß, die Tataren hätten das Moskowiterreich überfallen und seien auf dem Vormarsch nach St. Petersburg im Norden, von wo aus sie die Herrschaft über die Ostsee an sich reißen und schließlich ganz Westeuropa erobern konnten. Und Lord Asriel war im hohen Norden gewesen: Als sie ihn das letzte Mal gesehen hatte, hatte er gerade eine Expedition nach Lappland vorbereitet…
    »Pan«, flüsterte sie.
    »Ja?«
    »Glaubst du, es wird Krieg geben?«
    »Jetzt noch nicht. Lord Asriel wäre nicht zum Abendessen hier, wenn in den nächsten Wochen ein Krieg ausbrechen würde.«
    »Stimmt. Aber später?«
    »Pst! Jemand kommt.«
    Lyra richtete sich auf und spähte durch den Türspalt. Es war der Butler, der den Docht der Lampe kürzen wollte, wie der Rektor ihm aufgetragen hatte. In Gemeinschaftsraum und Bibliothek hatte man anbarisches Licht installiert, aber im Ruhezimmer bevorzugten die Wissenschaftler die alten Naphthalampen mit ihrem weicheren Licht. Daran würde sich zu Lebzeiten des Rektors auch nichts ändern.
    Der Butler stutzte den Docht und legte im Kamin ein Scheit nach. Dann horchte er sorgfältig an der Tür zum Saal und nahm sich eine Handvoll Tabakblätter aus der Rauchmühle.
    Gerade hatte er den Deckel wieder geschlossen, als die Klinke der anderen Tür niedergedrückt wurde. Er fuhr zusammen, und Lyra mußte sich das Lachen verbeißen. Hastig stopfte sich der Butler die Blätter in die Tasche, dann wandte er sich dem Ankömmling zu.
    »Lord Asriel!« sagte er, und ein kalter Schauer der Überraschung lief Lyra über den Rücken. Sie konnte ihren Onkel von ihrem Platz aus nicht sehen und mußte gegen die Versuchung kämpfen, die Tür etwas weiter zu öffnen.
    »Guten Abend, Wren«, sagte Lord Asriel. Lyra hörte seine rauhe Stimme immer mit einer Mischung aus Furcht und Freude. »Ich bin zu spät zum Essen eingetroffen. Ich werde hier warten.«
    Dem Butler war sichtlich unbehaglich zumute. Gäste betraten den Ruheraum gewöhnlich nur auf Einladung des Rektors, und Lord Asriel wußte das. Doch der Butler sah auch, daß Lord Asriel betont auf die Ausbuchtung in seiner Hosentasche blickte, und entschied, nicht zu protestieren.
    »Soll ich den Rektor von Eurer Ankunft verständigen, Mylord?«
    »Tun Sie das ruhig. Und bringen Sie mir eine Tasse Kaffee.«
    »Sehr wohl, Mylord.«
    Der Butler verbeugte sich und eilte hinaus, und sein Dæmon trottete unterwürfig hinter ihm her. Lyras Onkel trat vor das Kaminfeuer, reckte die Arme und gähnte wie ein Löwe. Er trug Reisekleidung. In seiner Gegenwart spürte Lyra jedesmal, wie sehr er sie einschüchterte. Unbemerkt aus dem Zimmer zu schleichen kam jetzt nicht mehr in Frage: Sie konnte nur bewegungslos ausharren und hoffen.
    Lord Asriels Dæmon, eine Schneeleopardin, stand hinter ihm.
    »Willst du die Bilder hier zeigen?« fragte sie ruhig.
    »Ja, das erregt weniger Aufsehen als ein Umzug in den Vortragssaal. Sie werden auch die Beweise sehen wollen. Ich lasse sie
    gleich vom Portier holen. Wir leben in schwierigen Zeiten, Stelmaria.«
    »Du solltest ausruhen.«
    Er streckte sich in einem Sessel aus, und Lyra konnte sein Gesicht nicht mehr sehen.
    »Ja, natürlich. Und ich sollte mich umziehen. Wahrscheinlich gibt es irgendeine alte Vorschrift, nach der sie mich zu einem Dutzend Flaschen verurteilen können, weil ich hier in diesen Kleidern auftauche. Ich sollte drei Tage lang schlafen. Bleibt nur die Tatsache, daß…«
    Es klopfte, und der Butler trat mit einem silbernen Tablett ein, auf dem eine Kaffeekanne und eine Tasse standen.
    »Danke, Wren«, sagte Lord Asriel. »Ist das auf dem Tisch der Tokaier?«
    »Der Rektor ließ ihn speziell für Euch heraufbringen, Mylord«, sagte der Butler. »Vom Achtundneunziger sind nur noch drei Dutzend Flaschen übrig.«
    »Alle guten Dinge vergehen. Stellen Sie das Tablett hier neben mich. Ach so, sagen Sie bitte dem Portier, er soll die beiden Kisten heraufbringen lassen, die ich in seiner Loge abgestellt habe.«
    »Hierher, Mylord?«
    »Ja, hierher. Und ich brauche eine Leinwand und eine Projektionslampe, ebenfalls hierher und ebenfalls gleich.«
    Es fehlte nicht viel, und der Butler hätte vor Überraschung den Mund aufgerissen. Er konnte seine Frage oder seinen Protest kaum unterdrücken.
    »Wren, Sie vergessen sich«, sagte Lord Asriel. »Stellen Sie keine Fragen; tun

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