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Der Goldene Kompass

Der Goldene Kompass

Titel: Der Goldene Kompass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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erzwingt…«
    »Wenn er das tut, müssen wir mit all unserer Beredsamkeit dagegen argumentieren.«
    Die Lampe begann zu zischen, als Lord Asriel heftig pumpte. Lyra bewegte den Kopf etwas zur Seite, um die Leinwand sehen zu können, auf der jetzt ein heller weißer Kreis leuchtete.
    »Kann jemand das Licht ausmachen?« fragte Lord Asriel.
    Einer der Wissenschaftler stand auf, und im Zimmer wurde es dunkel.
    Lord Asriel begann.
    »Wie einige von Ihnen wissen, reiste ich vor zwölf Monaten in diplomatischer Mission nach Norden zum König von Lappland. Das war zumindest die offizielle Version. In Wirklichkeit wollte ich noch weiter in den Norden bis zum Eis vordringen, um herauszufinden, was der Expedition Grummans zugestoßen ist. Grumman sprach in einer seiner letzten Nachrichten an die Berliner Akademie von einer Naturerscheinung, die nur im hohen Norden zu sehen ist. Ich war entschlossen, dieser Naturerscheinung und Grummans Schicksal nachzuspüren. Das erste Bild, das ich Ihnen jetzt zeigen werde, hat mit beidem allerdings nicht direkt zu tun.«
    Er steckte das erste Lichtbild in die Halterung und schob es vor die Linse. Auf der Leinwand erschien ein rundes Photogramm in gestochenem Schwarzweiß. In einer Vollmondnacht aufgenommen, zeigte es in mittlerer Entfernung eine Holzhütte; dunkel hoben sich die Wände von dem umgebenden Schnee ab, der auch das Dach mit einer dicken Schicht bedeckte. Neben der Hütte waren einige philosophische Instrumente aufgebaut, die Lyra an die Installationen im Anbarischen Park an der Straße nach Yarnton erinnerten: Antennen, Drähte und Isolatoren aus Porzellan, alle dick mit Eis bedeckt, das im Mondlicht glitzerte. Im Vordergrund stand ein in Pelze vermummter Mann, die Hand wie zum Gruß erhoben und das Gesicht unter einer tiefen Kapuze fast unsichtbar. Neben ihm stand eine kleinere Gestalt. Der Mond tauchte die ganze Szenerie in fahles Licht.
    »Dieses Photogramm wurde mit der üblichen Silbernitratemulsion aufgenommen«, sagte Lord Asriel. »Bitte sehen Sie sich jetzt ein weiteres Bild an, das nur eine Minute später von derselben Stelle aufgenommen wurde, allerdings mit einer neuen Spezialemulsion.«
    Er zog das erste Lichtbild heraus und steckte ein zweites in die Halterung. Es war viel dunkler, als ob das Mondlicht herausgefiltert worden sei. Der Horizont war immer noch sichtbar, und auch der dunkle Schatten der Hütte und deren helles, schneebedecktes Dach hoben sich ab, aber die Instrumente waren im Dunkel verborgen. Der Mann dagegen hatte sich vollkommen verwandelt: Er war in Licht gebadet, und seiner erhobenen Hand schien ein Strahl leuchtender Teilchen zu entströmen.
    »Kommt dieses Licht von unten oder von oben?« fragte der Kaplan.
    »Von oben«, sagte Lord Asriel, »aber das ist kein Licht. Es ist Staub.«
    Etwas an der Art, wie er das sagte, ließ Lyra unwillkürlich an STAUB in Großbuchstaben denken, als ob es sich nicht um gewöhnlichen Staub handelte. Die Reaktion der Wissenschaftler verstärkte diesen Eindruck. Auf Lord Asriels Worte folgte ein plötzliches Schweigen, gefolgt von ungläubigen Ausrufen.
    »Aber wie…«
    »Das kann doch…«
    »Unmöglich…«
    »Meine Herren!« ertönte die Stimme des Kaplans. »Lassen Sie Lord Asriel fortfahren.«
    »Es ist Staub«, wiederholte Lord Asriel. »Er wird auf der Platte als Licht abgebildet, weil die Staubpartikel auf die Spezialemulsion dieselbe Wirkung haben wie Photonen auf eine Silbernitratemulsion. Dies zu testen war eines der eigentlichen Ziele meiner Expedition in den Norden. Wie Sie sehen, ist die Gestalt des Mannes deutlich sichtbar. Betrachten Sie jetzt bitte die Gestalt links von ihm.«
    Er zeigte auf die verschwommenen Umrisse der kleineren Gestalt.
    »Ich dachte, das sei der Dæmon des Mannes«, sagte der Examinator.
    »Nein. Sein Dæmon lag zu diesem Zeitpunkt in Gestalt einer Schlange um seinen Hals. Was Sie hier so unscharf sehen, ist ein Kind.«
    »Ein abgeschnittenes Kind…?« fragte jemand und brach abrupt ab. Offenbar ging es hier um etwas, das besser ungesagt blieb.
    Es wurde totenstill.
    Dann sagte Lord Asriel ruhig: »Ein ganzes Kind. Was angesichts der Natur des Staubes natürlich der springende Punkt ist.«
    Einige Sekunden lang sagte niemand etwas. Dann war wieder die Stimme des Kaplans zu vernehmen.
    »Ah«, sagte er wie ein Verdurstender, der nach einem tiefen Schluck das Glas abstellt und den Atem, den er beim Trinken angehalten hat, herausströmen läßt. »Und die Staubfontäne…«

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