Der Gotteswahn
einen Gestalter hin, sondern sie lässt sich viel prägnanter und ungeheuer elegant mit der darwinistischen natürlichen Selektion erklären. Selbst wenn die natürliche Selektion nur die Welt des Lebendigen erklärt, so schärft sie doch unser Bewusstsein dafür, dass vergleichbare Erklärungsansätze uns auch zu einem besseren Verständnis für den gesamten Kosmos verhelfen können. Die Erkenntnis der Leistungsfähigkeit von »Kransystemen« wie der natürlichen Selektion ist der zweite meiner vier Punkte zur Bewusstseinserweiterung.
Vielleicht glauben Sie, es müsse einen Gott oder auch Götter geben, weil Anthropologen und Historiker berichten, dass Gläubige in allen Kulturkreisen eine beherrschende Stellung einnehmen. Wenn Sie dieses Argument überzeugend finden, lesen Sie bitte das fünfte Kapitel über »Die Wurzeln der Religion«; es erklärt, warum Religionen so allgegenwärtig sind. Oder glauben Sie, Religion sei notwendig, damit wir unsere moralischen Grundsätze rechtfertigen können? Brauchen wir denn nicht einen Gott, um gute Menschen zu sein? In den Kapiteln 6 und 7 erfahren Sie, warum das nicht der Fall ist. Haben Sie immer noch eine Schwäche für die Religion und halten sie für etwas Gutes, obwohl Sie selbst den Glauben verloren haben? Dann lädt Sie das achte Kapitel ein, darüber nachzudenken, in welcher Beziehung Religion für die Welt alles andere als gut ist.
Sollten Sie sich in der Religion gefangen fühlen, mit der Sie groß geworden sind, dann lohnt es sich vielleicht zu fragen, wie es dazu kam. Die Antwort ist meist eine Form kindlicher Indoktrination. Wenn Sie religiös sind, besteht eine überwältigend große Wahrscheinlichkeit, dass es sich um die Religion Ihrer Eltern handelt. Wenn Sie in Arkansas geboren wurden und das Christentum für richtig, den Islam aber für falsch halten, während Sie gleichzeitig ganz genau wissen, dass ein gebürtiger Afghane genau umgekehrt denken würde, sind Sie das Opfer der Indoktrination im Kindesalter. Gleiches gilt natürlich auch, wenn Sie in Afghanistan geboren wurden.
Mit dem Thema »Religion und Kindheit« beschäftigt sich mein neuntes Kapitel, das auch den dritten Punkt zur Bewusstseinserweiterung enthält. Genau wie Feministinnen aufheulen, wenn sie »er« statt »er oder sie« und »Wähler« statt »Wähler und Wählerinnen« hören, so sollte eigentlich auch jeder zusammenzucken, wenn von einem »katholischen Kind« oder einem »muslimischen Kind« die Rede ist. Meinetwegen können Sie von einem »Kind katholischer Eltern« sprechen; aber wenn Sie hören, dass jemand »ein katholisches Kind« sagt, sollten Sie widersprechen und höflich darauf hinweisen, dass ein Kind zu jung ist, um zu wissen, wo es in solchen Fragen steht, genau wie es zu Wirtschaft und Politik noch keine festen Standpunkte haben kann. Gerade weil es mein Ziel ist, das Bewusstsein zu schärfen, entschuldige ich mich nicht dafür, dass ich dieses Thema hier im Vorwort und dann noch einmal im neunten Kapitel anspreche. Man kann es nicht oft genug sagen, und ich sage es immer wieder: Das ist kein muslimisches Kind, sondern das Kind muslimischer Eltern. Dieses Kind ist zu jung, um selbst zu wissen, ob es Muslim ist oder nicht. So etwas wie ein muslimisches Kind gibt es nicht. Und so etwas wie ein christliches Kind auch nicht.
In den Kapiteln 1 und 10, am Anfang und Ende meines Buches, erkläre ich auf unterschiedliche Weise, wie ein richtiges Verständnis für die großartige reale Welt, das aber nie zu einer Religion werden wird, für unsere Inspiration die Rolle spielen kann, die historisch – und völlig unzureichend –
von der Religion mit Beschlag belegt wurde.
Mein vierter Punkt für die Bewusstseinserweiterung ist der atheistische Stolz. Atheist zu sein ist nichts, wofür man sich entschuldigen müsste. Im Gegenteil: Man kann stolz darauf sein und hocherhobenen Hauptes bis zum Horizont blicken, denn Atheismus ist fast immer ein Zeichen für eine gesunde geistige Unabhängigkeit und sogar für einen gesunden Geist. Viele Menschen wissen in ihrem tiefsten Inneren, dass sie Atheisten sind, aber sie wagen nicht, es ihren Angehörigen oder in manchen Fällen sogar sich selbst einzugestehen. Teilweise liegt das daran, dass das Wort »Atheist« auf heimtückische Weise zu einem entsetzlichen, beängstigenden Etikett aufgebaut wurde. In Kapitel 9 zitiere ich die Komikerin Julia Sweeney mit ihrer tragikomischen Geschichte, in der ihre Eltern aus der Zeitung erfahren,
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