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Der Graf von Castelfino

Der Graf von Castelfino

Titel: Der Graf von Castelfino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: CHRISTINA HOLLIS
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die Doppelflügeltür hinaus auf die Terrasse. Immer noch gab es Menschen, die seinem verblichenen Vater ihren Respekt erweisen wollten, und er hatte ihnen gegenüber eine Verpflichtung. Also schloss er die Augen und überlegte, was er sagen würde.
    Es war ein typischer Herbstnachmittag, wie man ihn in der Toskana kannte. Kein Blatt bewegte sich. Ein einzelner Vogel zwitscherte sein monotones Chip-Chip . Es klang, als ob zwei Steine aneinanderschlagen würden. Das einzige andere Geräusch stammte von dem Wagen, der in gleichmäßigem Tempo die gewundene Auffahrt hochkam, direkt auf Gianni zu.
    Der Fahrer machte einen eleganten Bogen und hielt vor dem Hauptportal. Verblüfft öffnete Gianni die Augen und erkannte, dass es keine protzige Limousine war, sondern ein normales Funktaxi. Ihm blieb nicht einmal genug Zeit, schockiert zu sein, als der Fahrer schon aus dem Auto sprang, einen kurzen Gruß herüberrief und den Gepäckraum öffnete.
    Ungläubig sah Gianni zu, wie sich eine Flut von Koffern in den Staub ergoss, während der Fahrer mit dem unsichtbaren Fahrgast eine fröhliche Konversation führte. Die ganze Zeit dudelte das Autoradio laut vor sich hin.
    Kein Mensch hatte während der letzten Tage auf Castelfino die Stimme erhoben. Die Jalousien waren geschlossen geblieben. Nun aber wurde es dahinter lebendig. Giannis Personal war durch den unerwarteten Lärm alarmiert. Ein Küchenjunge eilte herbei, um mit anzupacken. Während er sich um den Fahrer kümmerte, erlitt der frischgebackene Graf einen weiteren Schock.
    Die hintere Tür des Taxis öffnete sich, und die schönste Frau der Welt kletterte aus dem Wagen. Ihr Rock, ohnehin schon kurz, war hochgerutscht und bot einen Blick auf ihre langen, wohlgeformten Beine. Dunkelblondes Haar fiel über ihre Schultern und schimmerte im gedämpften Licht der Herbstsonne. Die junge Frau wirkte irgendwie leicht benommen. Als sie sich streckte, schwankte sie ein wenig und musste sich gegen das Auto lehnen. Der Kontrast zwischen dem klimatisierten Taxi und der herbstlichen Wärme war wohl zu heftig.
    Mit einem Fluch wandte Gianni sich ab. Sein Körper war zum Leben erwacht, wie immer beim Anblick einer schönen Frau. Dann hörte er ihr glockenhelles Lachen – und drehte sich wieder zu ihr um.
    „Signore Bellini! Welche Überraschung! Ich hätte nicht gehofft, Sie jemals wiederzusehen, schon gar nicht an diesem Ort! Was für eine unerwartete Freude!“
    Der Kies knirschte unter ihren Schuhen, als die Frau mit langen, entschiedenen Schritten über den Vorhof näher kam. Beim Anblick seiner düsteren Miene erlosch ihr Lächeln. Nun wirkte sie verwirrt und besorgt. Ihr Schritt wurde zögernd.
    Verunsichert wollte sie wissen: „Sie sind doch der Mann von der Chelsea Flower Show, oder nicht?“
    „ Sí, ich bin Gianni Bellini“, erwiderte er reserviert.
    Doch dann erinnerte er sich mit einem Mal wieder. Das Blumenmädchen! Ein hübsches Gesicht vergaß Gianni niemals – ebenso wenig wie einen gut gebauten Körper. Mit einem knappen Lächeln nickte er ihr zu. Weitere Details fielen ihm ein. Diese Frau hier sah nicht nur gut aus, sie war auch clever.
    Sein kühler Gruß schien sie nicht zu berühren. Mit einem erfrischenden Lachen streckte sie ihm die Hand entgegen.
    „Du lieber Gott, ich kann es nicht glauben. Sie haben sich ja sehr verändert – die vielen Freundinnen müssen Sie in eine Depression getrieben haben, Signore!“
    „Was wollen Sie hier?“, fragte er in scharfem Ton und ignorierte ihre ausgestreckte Hand.
    Ihr Lächeln erlosch. „Ich habe eine Anstellung beim Conte di Castelfino. Ich werde das Gartenhaus beziehen. Normalerweise holt man mich vom Flughafen ab, aber aus irgendeinem Grund kam der Chauffeur heute nicht.“
    „Vermutlich, weil mein Vater gestorben ist. Ich bin jetzt der Conte di Castelfino“, stellte er in sachlichem Ton fest.
    „Oh … das tut mir leid“, sagte sie schockiert. Hilflos wanderte ihr Blick zu dem Taxi und wieder zurück. „Wie unpassend von mir, ausgerechnet jetzt aufzukreuzen … D…darf ich fragen, was geschehen ist?“
    „Er erlitt vor wenigen Tagen einen Schlaganfall, in Paris. Gestern ist er dann verstorben – nein, vorgestern …“ Gianni schüttelte den Kopf und rieb sich über seinen Dreitagebart.
    „Es … es tut mir so leid …“, wiederholte sie mit leiser Stimme.
    „Sie konnten es ja nicht wissen. Ich hatte keine Ahnung, dass Sie erwartet werden. Deshalb wurden Sie auch nicht abgeholt. Ich bin selbst erst vor

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