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Der Graf von Monte Christo

Der Graf von Monte Christo

Titel: Der Graf von Monte Christo Kostenlos Bücher Online Lesen
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ob er nicht den jungen Mann mit dem freien Gange und dem hoch erhobenen Kopfe erblickte, der auch für ihn der Künder schwerer Rache sein mußte. Dann stand sein Plan fest. Er wollte Dantes mit einem Flintenschusse den Schädel zerschmettern und sich hernach selbst töten, wie er sich, um seinen Mordplan zu beschönigen, vorredete.
    Mittlerweile rief das Kaiserreich einen neuen Heerbann auf, und alles, was sich in Frankreich an waffenfähiger Mannschaft vorfand, eilte auf die mächtige Stimme des Kaisers herbei. Auch Fernand mußte dem Rufe folgen. Er verließ seine Hütte und Mercedes, von dem grausamen Gedanken zermartert, sein Nebenbuhler könnte in der Zwischenzeit kommen und die Geliebte heiraten.
    Seine Aufmerksamkeiten für Mercedes, das Mitleid, das er für ihr Unglück zu empfinden schien, die Sorge, mit der er ihren geringsten Wünschen zuvorkam, hatten die Wirkung hervorgebracht, die der Schein der Ergebenheit auf edle Herzen immer hervorbringt. Mercedes hatte stets eine freundschaftliche Zuneigung für Fernand gehegt, und ihre Freundschaft für ihn vermehrte sich durch ein neues Gefühl, durch die Dankbarkeit. Mein Bruder, sagte sie, als sie den Tornister auf den Schultern des Kataloniers befestigte, mein Bruder, mein einziger Freund, laßt Euch nicht töten, laßt mich nicht allein in dieser Welt, wo ich weinen muß und völlig vereinsamt bin, sobald Ihr nicht mehr lebt.
    Diese im Augenblick der Trennung gesprochenen Worte gewährten Fernand wieder einige Hoffnung. Wenn Dantes nicht zurückkam, konnte Mercedes eines Tages die Seinige werden.
    Mercedes blieb allein auf dieser kalten Erde, die ihr nie so öde vorgekommen war, allein, mit dem unermeßlichen Meere als Horizont. Ganz in Tränen gebadet sah man sie beständig um das kleine Dorf der Katalonier irren. Bald stand sie unter der glühenden Mittagssonne, unbeweglich, stumm wie eine Bildsäule, und schaute nach Marseille; bald saß sie am Rande des Gestades, horchte auf das Stöhnen des Meeres, so ewig wie ihr Schmerz, und fragte sich, ob es nicht besser wäre, sich vorwärts zu beugen, sich dem eigenen Gewichte zu überlassen, den Abgrund zu öffnen und sich darein zu versenken, statt die beständige Trauer einer hoffnungslosen Erwartung zu ertragen. Es fehlte ihr nicht an Mut, dieses Vorhaben zu verwirklichen, aber die Religion kam ihr zu Hilfe und bewahrte sie vor dem Selbstmord.
    Caderousse wurde einberufen wie Fernand; da er jedoch verheiratet und acht Jahre älter war, als der Katalonier, kam er zum dritten Aufgebote und wurde zur Küstenverteidigung verwandt.
    Der alte Dantes, den nur die Hoffnung aufrecht erhaltenhatte, verlor diese bei dem Sturze des Kaisers. Genau fünf Monate, nachdem er von seinem Sohne getrennt worden war, und fast zur selben Stunde, wo man ihn verhaftet hatte, gab er in Mercedes' Armen den Geist auf. Herr Morel übernahm alle Kosten seiner Beerdigung und bezahlte die geringen Schulden, die der Greis während seiner Krankheit gemacht hatte. Es war mehr als Wohltätigkeit, so zu handeln, es gehörte Mut dazu. Der Süden Frankreichs stand in Flammen, und den Vater eines so gefährlichen Bonapartisten, wie Dantes, selbst auf dem Totenbette zu unterstützen, war ein Verbrechen.

Der wütende Gefangene und der verrückte Gefangene.
     
    Ungefähr ein Jahr nach der Rückkehr Ludwigs XVIII. unternahm der Generalinspektor der Gefängnisse eine Rundreise. Er besuchte wirklich hintereinander alle Zellen und Kerker. Mehrere Gefangene des Kastells If wurden ebenfalls vernommen; der Inspektor fragte sie über die Nahrung, die man ihnen verabreichte, und was sie etwa sonst noch zu wünschen hätten. Sie antworteten einstimmig, das Essen sei abscheulich, und sie wünschten, frei zu sein.
    Der Inspektor fragte sie, ob sie ihm weiter nichts mitzuteilen hätten. Sie schüttelten den Kopf; was konnten Gefangene anderes verlangen, als die Freiheit?
    Der Inspektor wandte sich um und sagte zu dem Gouverneur: »Ich weiß nicht, warum man uns diese unnützen Rundreisen machen läßt. Wer ein Gefängnis sieht, sieht hundert; wer einen Gefangenen hört, hört tausend. Es ist stets das gleiche: schlecht genährt und unschuldig. Haben Sie noch andere?
    Ja, wir haben gefährliche Gefangene oder Narren, die im Kerker bewacht werden müssen.
    Laßt sie sehen, sagte der Inspektor gelangweilt, ich darf mir nichts sparen.
    Warten Sie, sagte der Gouverneur, wir müssen wenigstens zwei Soldaten zum Schutze haben. Die Gefangenen begehen zuweilen, und wäre

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