Der größere Teil der Welt - Roman
»Tut mir leid. Tut mir leid. Tut mir leid.«
Oben trat er vor die Haustür und füllte seine Lunge mit frischer Luft. Die Stop/Go-Schwestern und die Tochter drängten sich um ihn, baten um Entschuldigung für ihr stickiges Aufnahmestudio, sagten, ihr Vater schaffe es einfach nicht, es richtig zu belüften, und erinnerten sich gegenseitig lebhaft an die vielen Male, in denen einer von ihnen bei der Arbeit dort unten schlecht geworden war.
»Wir können die Stücke summen«, sagten sie und legten sogleich mehrstimmig los. Olivia fiel ein, alle unmittelbar vor Bennies Nase, ihr Lächeln bebend vor Verzweiflung. Eine graue Katze strich um Bennies Beine und rieb ihren Kopf an ihm. Er war erleichtert, als er endlich im Auto saß.
Er würde Sasha in der Stadt absetzen, musste aber zuerst noch Chris nach Hause bringen. Sein Sohn kauerte auf der Rückbank, mit dem Gesicht zum offenen Fenster. Bennies geniale Idee zur Nachmittagsgestaltung schien gründlich in die Hose gegangen zu sein. Er kämpfte gegen den starken Wunsch, Sashas Brüste anzuglotzen, und wartete darauf, dass er ruhiger würde, sein Gleichgewicht zurückfände, ehe er sich diesem Test stellte. Erst vor einer roten Ampel lugte er endlich langsam, wie zufällig in ihre Richtung. Zuerst schaute er gar nicht richtig hin, dann konzentrierte er sich voll darauf. Nichts. Er fühlte sich dermaßen von diesem entsetzlichen Verlust überwältigt, dass er all seine Kraft zusammennehmen musste, um nicht loszuheulen. Er war so nah dran gewesen, so nah! Wohin war es bloß verschwunden?
»Dad, es ist grün«, sagte Chris.
Bennie fuhr los und gab sich einen Ruck, seinen Sohn zu fragen. »Also, Chef. Was sagst du?«
Der Kleine gab keine Antwort. Vielleicht stellte er sich taub, vielleicht pfiff ihm auch der Wind zu laut um die Ohren. Bennie schaute zu Sasha hinüber. »Was ist mit dir?«
»Ach«, sagte sie. »Die sind schrecklich.«
Bennie blinzelte und fühlte sich getroffen. Er war einen Moment lang sauer auf Sasha, aber das war schnell verflogen, und auf einmal war er seltsam erleichtert. Natürlich. Sie waren schrecklich. Das war das Problem.
»Kann man sich nicht anhören«, sagte Sasha jetzt. »Kein Wunder, dass du einen Herzanfall hattest.«
»Ich versteh das nicht«, sagte Bennie.
»Was?«
»Vor zwei Jahren haben die sich … ganz anders angehört.«
Sasha schaute ihn prüfend an. »Das war nicht vor zwei Jahren«, sagte sie. »Das war vor fünf.«
»Was macht dich da so sicher?«
»Weil ich das letzte Mal nach einer Besprechung im Windows of the World bei ihnen war.«
Bennie brauchte eine Weile, um das zu kapieren. »Ach so«, sagte er endlich. »Wie kurz nach …«
»Vier Tage.«
»Wow. Davon wusste ich gar nichts.« Er legte eine respektvolle Pause ein. »Trotzdem, ob fünf Jahre oder zwei …«
Sasha drehte sich zu ihm und blitzte ihn zornig an. »Mit wem rede ich hier eigentlich?«, fragte sie. »Du bist Bennie Salazar! Hier geht’s um das Musikbusiness. ›Fünf Jahre sind fünf hundert Jahre.‹ Deine eigenen Worte.«
Bennie gab keine Antwort. Sie näherten sich seinem ehemaligen Haus, wie er es bei sich nannte. Er konnte nicht »altes Haus« sagen, aber er konnte auch nicht mehr »sein Haus« dazu sagen, obwohl er schließlich dafür bezahlte. Sein ehemaliges Haus stand in einer gewissen Entfernung von der Straße auf einem mit Gras bewachsenen Hang, ein leuchtend weißes Haus im Kolonialstil, das ihn jedes Mal, wenn er den Schlüssel aus der Tasche zog, um die Haustür aufzuschließen, mit Ehrfurcht erfüllt hatte. Bennie hielt am Bordstein und stellte den Motor ab. Er brachte es nicht über sich, die Auffahrt hochzufahren.
Chris beugte sich vom Rücksitz vor und schob den Kopf zwischen Bennie und Sasha. Bennie war nicht sicher, wie lange sie schon hier standen. »Ich glaube, du brauchst etwas von deinem Medikament, Dad«, sagte Chris.
»Gute Idee«, sagte Bennie. Er klopfte auf seine Taschen, aber das rote Döschen war verschwunden.
»Hier, ich hab sie«, sagte Sasha. »Sie ist dir runtergefallen, als du das Aufnahmestudio verlassen hast.«
Das tat sie jetzt immer häufiger, sie fand Dinge, die er verlegt hatte, manchmal ehe Bennie auch nur merkte, dass er sie verloren hatte. Das verstärkte noch sein Gefühl bedingungsloser Abhängigkeit von ihr. »Danke, Sash«, sagte er.
Er öffnete die Dose. Mein Gott, wie die Flocken funkelten. Gold lief nicht an, das war es eben. Die Flocken würden in fünf Jahren noch genauso aussehen wie
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