Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der größere Teil der Welt - Roman

Der größere Teil der Welt - Roman

Titel: Der größere Teil der Welt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Egan
Vom Netzwerk:
Sweatshirt, zum Glück trug sie darunter ein sauberes weißes T-Shirt. Ihre Arme waren wunderbar gebräunt, auch wenn eine Ansammlung von rosa Wundflecken die Haut oberhalb des einen Handgelenks entstellte. Es waren Narben, Dolly starrte sie an. »Kitty, sind das …« Sie geriet ins Stocken. »Auf deinen Armen, sind das …?«
    »Verbrennungen«, sagte Kitty und warf Dolly einen vielsagenden Blick zu. Dabei verkrampfte sich Dollys Magen, bis sie sich sehr vage, wie an etwas, das in einem Nebel passiert war oder in ihrer frühen Kindheit, daran erinnerte, dass jemand sie gebeten hatte, ja geradezu angefleht hatte, Kitty Jackson auf die Liste zu setzen, und dass sie abgelehnt hatte. Kommt nicht in Frage, nie im Leben – Kittys Aktien standen zu tief.
    »Die hab ich mir selbst beigebracht«, sagte Kitty.
    Dolly wusste nichts darauf zu sagen. Kitty grinste, und einen Moment lang sah sie dabei so herrlich verschmitzt aus wie der Star von Oh, Baby, oh. »Die haben viele Leute«, sagte sie. »Haben Sie das nicht gewusst?«
    Dolly überlegte, ob das vielleicht ein Witz war. Sie wollte vor Lulu nicht darauf hereinfallen.
    »Sie werden niemanden finden, der nicht auf dieser Party war«, sagte Kitty. »Und sie können es beweisen. Wir können es alle beweisen – und wer wollte behaupten, dass wir lügen?«
    »Ich weiß, wer da war«, sagte Dolly. »Ich habe die Liste noch immer im Kopf.«
    »Aber … wer sind Sie denn schon?«, fragte Kitty, noch immer lächelnd.
    Das ließ Dolly verstummen. Sie spürte, wie Lulus graue Augen sie ansahen.
    Dann tat Kitty etwas Unerwartetes: Durch das Sonnenlicht hindurch reichte sie Dolly die Hand. Von ihrem warmen, festen Griff traten Dolly die Tränen in die Augen.
    »Zum Teufel mit denen, was?«, sagte Kitty liebevoll.
    Ein gepflegter, untersetzter Mann in einem elegant geschnittenen Anzug kam aus dem Haus, um sie zu begrüßen. Arc.
    »Miss Peale. Endlich lernen wir uns kennen«, sagte er mit einem Lächeln. »Und Miss Jackson«, er wandte sich Kitty zu, »es ist mir eine große Ehre und ein Vergnügen.« Er küsste Kittys Hand mit einem schelmischen Blick, wie Dolly fand. »Ich habe Ihre Filme gesehen. Der General und ich haben sie uns gemeinsam angeschaut.«
    Dolly wappnete sich gegen Kittys mögliche Erwiderung, aber ihre Antwort kam mit klangvoller Stimme wie der eines Kindes, abgesehen davon, dass ein flirtender Unterton darin lag. »Ach, bestimmt haben Sie schon bessere Filme gesehen.«
    »Der General war beeindruckt.«
    »Ich fühle mich geehrt. Es ist äußerst schmeichelhaft, dass der General sie sehenswert findet.«
    Dolly warf der Schauspielerin bebend einen Blick zu und hoffte bloß, dass man ihr den Spott, den sie herauszuhören meinte, nicht allzu deutlich ansah.
    Zu ihrer Überraschung war er überhaupt nicht vorhanden – keine Spur davon. Kitty sah bescheiden aus, absolut ehrlich, als ob zehn Jahre verschwunden wären und sie wieder ein dankbares, eifriges Starlet wäre.
    »Leider habe ich schlechte Nachrichten«, sagte Arc. »Der General musste unerwartet verreisen.« Sie sahen ihn ungläubig an. »Es ist sehr bedauerlich«, fügte er hinzu. »Der General bittet wirklich um Entschuldigung.«
    »Aber wir … können wir dahin fahren, wo er ist?«, fragte Dolly.
    »Vielleicht«, sagte Arc. »Eine weitere Reise würde Ihnen nichts ausmachen?«
    »Na ja«, sagte Dolly mit einem Seitenblick auf Lulu. »Es kommt darauf an …«
    »Ganz und gar nicht«, fiel Kitty ihr ins Wort. »Wir fahren dahin, wo immer der General uns sehen möchte. Alles, was sein muss. Stimmt’s, Kleine?«
    Lulu brauchte einige Zeit, um die Anrede »Kleine« auf sich zu beziehen. Zum ersten Mal hatte Kitty sie direkt angesprochen. Lulu schaute die Schauspielerin an, dann lächelte sie. »Stimmt«, sagte sie.
    Sie sollten am folgenden Morgen zu ihrem nächsten Ziel aufbrechen. An diesem Abend bot Arc an, sie in die Stadt zu fahren, aber Kitty lehnte ab. »Ich verzichte auf die Rundfahrt«, sagte sie, als sie sich in ihrer Zweizimmersuite mit Zugang zu einem eigenen Swimmingpool einrichteten. »Ich möchte lieber diese Zimmer genießen. Früher wurde ich auch in so was untergebracht.« Sie lachte bitter.
    »Nicht übertreiben«, sagte Dolly, als sie sah, wie Kitty den Barschrank ansteuerte.
    Kitty drehte sich um und kniff die Augen zusammen. »He. Wie war ich da draußen? Schon irgendwelche Klagen?«
    »Sie waren perfekt«, sagte Dolly. Dann sprach sie leise, um nicht von Lulu gehört zu werden, und

Weitere Kostenlose Bücher