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Der große Bio-Schmaeh

Titel: Der große Bio-Schmaeh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens G Arvay
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zerlegen und direkt vermarkten, gibt es kaum mehr. Sie haben keine Chance. Das Geschäft läuft nur mehr über die zentrale Bündelung.« Um den Mengenforderungen und der Preispolitik des Handels gerecht zu werden, wurden die Lämmer auch nach dem Ausbluten in schneller Abfolge weiterverarbeitet. In einem separaten Bereich der Schlachtanlage hingen sie tot, und noch warm, in Reih und Glied an den Haken. Arbeiter, die den ganzen Tag lang den Tieren die Haut abzogen, hatten ihre Pflicht an diesen Körpern schon getan. Nun wurde den Schafen nacheinander der Bauchraum eröffnet. Gedärme quollen aus dem Inneren, während die Schlachtkörper schon weitergeschoben wurden. Ein anderer Mitarbeiter trennte die verwertbaren inneren Teile von den Darmpaketen, die er entsorgte. Draußen häuften sich Därme, Rückenmark, Köpfe, Gebisse, Augen, Fett- und Bindegewebe in großen Mülltonnen: Sammlung des Risikomaterials.
    Bio TM -Risikomaterial vor einem Akkordschlachthof in Kärnten. Wenn alles nach Plan läuft, landen potenzielle Krankheitserreger in diesen Mülltonnen und nicht in den Mägen der Verbraucherinnen und Verbraucher.
Das
Ja!Natürlich
-Schweinderl, die Kuh Yvonne und ihre vergessenen Artgenossen
    Ich verabschiedete mich von den Schlachthofmitarbeitern, noch bevor die Schlachtung der Kälber und Jungrinder für
Ja!Natürlich
– ebenfalls zentral und gebündelt – in Gang gekommen war. Die Schlachtung von Schweinen sah ich mir ebenfalls nicht mehr an. Apropos Schwein: Deutsche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben herausgefunden, dass sich diese völlig unterschätzten rosaroten Tiere ihre eigenen Namen merken können und sogar darauf reagieren. In einem verhaltensbiologischen Experiment wurde eine Computeranlage eingerichtet, die regelmäßig Schweine bei ihren Namen zur Futterbox rief. Anhand von elektronischen Chips in Halsbändern wurde aufgezeichnet, wie häufig das richtige Schwein dann tatsächlich kam. Nach einer Lernphase lag die Trefferquote bei über neunzig Prozent. Eine der beteiligten Forscherinnen kam zu dem Schluss: Schweine sind sehr intelligent und lernfähig, haben individuelle Charaktere und sind äußerst kommunikativ. Diese Eigenschaften bewahren die gewieften Tiere allerdings nicht davor, dem zentralisierten Massenmarkt der Bio-Marken zu unterliegen. Lediglich vierzehn elitäre Schweine bleiben in Österreich verschont und führen ein gehätscheltes, vermenschlichtes Dasein: Lisa, Lilli, Engelbert, Susi, Conchita, Oki Doki, Alles Roger, Sissi, Floh, Chupachup, Yupidu, Schnappi, Pippifein und Hallo Du. Sie sind Fernsehstars. Als
Ja!-Natürlich
-Schweinchen haben sie sich in der Werbung profiliert und können jetzt sogar in Höfen in ganz Österreich besucht und gestreichelt werden, in denen sie von
Ja!Natürlich
untergebracht worden sind. Gleichzeitig lässt derselbe Bio-Konzern Tausende ihrer Artgenossen jedes Jahr in Akkordarbeit schlachten und macht sie zu säuberlich verpackten Kommerzprodukten.
    Es wäre ganz nahe an der Realität, einen TV-Spot zu drehen, in welchem dem Ja!Natürlich-Schweinchen, in einem industriellen Förderband hängend, durch einen Hals-Brust-Stich das Leben genommen wird.
    Allerdings können wir lange darauf warten, solche Wirklichkeiten in der Werbung zu erleben. Dort werden wir stattdessen mit den romantischen Bauernhoffantasien der Werbemanagerinnen und Werbemanager eingelullt. Möglicherweise ginge ein Raunen durch die Bevölkerung, wenn man die Tötung des
Ja!Natürlich
-Schweinchens öffentlich ankündigen würde. Vielleicht würde ein Teil der Menschen, so wie damals für das Eisbärenbaby »Knut«, wieder mit Demonstrationen auf Österreichs Straßen antworten: »Verschont das
Ja!Natürlich
-Schweinderl! Lasst Schnappi leben!«
    Als im Sommer 2011 die Kuh Yvonne durch Flucht ihrer eigenen Schlachtung entrinnen konnte und sich monatelang in freier Wildbahn versteckt hielt, fieberte halb Österreich mit ihr. Die Zeitungen waren voll mit Yvonne und ihrem »Sohn«, der schon auf einem Gnadenhof auf sie wartete. Nachdem man Yvonne endlich eingefangen hatte, brachte man sie auf denselben Gutshof wie ihren Sprössling. Die Wiedervereinigung der beiden, so berichtete man in den Massenmedien, soll außergewöhnlich berührend gewesen sein. Reporter wollten gesehen haben, wie sich Mutter und Kind schon von Weitem erkannt hätten und aufeinander zu gelaufen seien. Zu dieser Zeit war der mediale Rummel rund um Yvonne schon so groß, dass es einem Skandal

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