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Der große Bio-Schmaeh

Titel: Der große Bio-Schmaeh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens G Arvay
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stellt sich der Alltag österreichischer Bio-Rinder weit weniger blumig dar, als man uns glauben lassen will. Laut einer Studie der Universität für Bodenkultur in Wien, wurde im Jahr 2004 von achtzig Prozent der biologisch bewirtschafteten Milchbetriebe Anbindehaltung praktiziert 41 . Dieser Anteil dürfte bis dato etwa gleichgeblieben sein. In mehr als drei Viertel der Bio-Ställe des Landes sind die Rinder während des Großteils ihres Lebens in Ketten gelegt 42 . Möglich wird dies durch eine Sonderregelung, die in Österreich herrscht: Betriebe mit weniger als fünfunddreißig Großvieheinheiten (GVE) dürfen mit der Anbindehaltung froh und munter weitermachen, obwohl diese für Bio-Betriebe laut EU-Bioverordnung eigentlich verboten ist. Eine Großvieheinheit entspricht fünfhundert Kilogramm »lebender Tiermasse«, also etwa einer erwachsenen Milchkuh. Rechnerisch dürfen also fünfunddreißig ausgewachsene Kühe – zumindest in Österreich – auch in der biologischen Haltung nach wie vor im Stall angekettet werden. Sind, wie in den meisten Fällen, Kälber vorhanden, dann steigt diese Zahl an Tieren noch an, weil Kälber weniger Körpergewicht auf die Waage bringen. Wenn in einem Betrieb beispielsweise zwanzig erwachsene Kühe mit ihrem Nachwuchs leben, darf also noch immer angekettet werden. »Das sind aber keine Kleinbetriebe mehr«, klagte der Veterinärmediziner und Universitätsprofessor Dr. Josef Troxler 43 . Und ihm käme es wie ein schlechter Witz vor, sagte er mir, dass man in Österreich der Anbindehaltung in Bio-Betrieben dieser Größe keinen Riegel vorgeschoben habe. Die Ankettung beginnt ab einem Alter von sechs Monaten – das ist die Altersgrenze, ab der man nicht mehr von Kälbern spricht. Zwar schreibt das Gesetz zumindest am Papier hundertachtzig Tage Auslauf vor, jedoch wird nicht festgelegt, wie lange die Tiere an diesen Tagen aus dem Stall gelassen werden müssen. Ob die Vorgaben konsequent eingehalten werden, lässt sich ebenfalls nicht mit Sicherheit überprüfen, da man bei den jährlichen Bio-Kontrollen nur die Aufzeichnungen der Tierhalter durchliest. In vielen Betrieben, die ich besuchte, werden den Rindern nur ein oder höchstens zwei Stunden Auslauf vor dem Stall gegönnt. Längere Aufenthalte sind problematisch, da man dann ausreichendes Futtermanagement im Freibereich braucht. Somit verbringen die Tiere oft sogar an »Auslauftagen« bis zu dreiundzwanzig Stunden angekettet im Stall und in der kalten Jahreszeit sind sie von früh bis spät in Ketten gelegt. Angebundenen Rindern bleibt die Auslebung vieler angeborener Verhaltensweisen verwehrt: Das gegenseitige Lecken ist stark eingeschränkt, die Tiere haben aufgrund der reduzierten Bewegungsfreiheit Probleme beim Aufstehen und Niederlegen. Seitenlage oder Abstützen des Kopfes in der Ruheposition sind oft nicht möglich und bei vielen Bewegungen kommt es zur Kollision mit der stählernen Stalleinrichtung.
    Der saisonale Aufenthalt auf der Alm mit Auf- und Abtrieb ist nicht die Regel, wenn auch in der Werbung ausschließlich Almidylle vom Feinsten gezeigt wird. Diese verkauft sich einfach besser als angekettete Tiere.
    Ein weiteres Problem in der Bio-Rinderhaltung ist der sogenannte Kuhtrainer, manchmal auch als »Kuherzieher« bezeichnet. Er kommt nur in Kombination mit der Anbindung zum Einsatz. Bei einem Kuherzieher handelt es sich um einen Metallbügel, der wenige Zentimeter über der höchsten Stelle des Rinderrückens angebracht wird. Der Bügel steht unter Strom. Wenn die Kuh beim Stuhlgang, dem sogenannten Koten, ihre Wirbelsäule wölbt, wird ihr ein elektrischer Schlag versetzt, der sie dazu zwingen soll, einen Schritt zurückzutreten. Dadurch wird erreicht, dass das Tier den Kot nur über dem dafür vorgesehenen Graben abgibt. Ein Verbot des Kuherziehers im Ökolandbau wird seit Jahren diskutiert, ist jedoch in absehbarer Zeit nicht zu erwarten. Abgesehen von der grundsätzlichen Fragwürdigkeit einer solchen Einrichtung, gilt es als bekannt und problematisch, dass der Kuherzieher oft zu »streng« eingestellt, also zu nahe am Rücken des Tieres angebracht wird. Es kann dann auch bei normalen Bewegungen zu Stromschlägen kommen. Kritische Veterinärmediziner gehen davon aus, dass achtzig Prozent der Stromschläge bei anderen Bewegungen, die gar nichts mit dem Koten zu tun haben, an die Rinder abgegeben werden.
    Die Häufigkeit der Betriebe mit elektrischen Kuherziehern ist von Bundesland zu Bundesland

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