Der gruene Heinrich [Erste Fassung]
eine Spinne auf die Mücke, während vielleicht die besondere Natur seines Berufes langsam, gründlich und beschaulich ist; er soll demütig und kriechend sein, wo er stolz sein möchte, und hinwieder unverschämt und prahlerisch, wo er nur bescheiden sein kann; er muß geizig und zurückhaltend sein mit dem Reifen und Fertigen, das sich wie die Frucht von dem Baume seines Daseins ablösen will, und er muß hinwieder mit blutendem Herzen freigebig sein mit dem Unreifen und Werdenden und es wegwerfen um des Erwerbes willen. Wenn er nimmt, was ihm gebührt, so muß er dafür danken, und erst wenn er empfängt, was ihm nicht gebührt, so ist er des Dankes quitt und hat Ehre davon, so daß schon die notwendige Angewöhnung und Gewandtheit des Erwerbes unwillkürlich nach einem verwerflichen Ziele führt.
Welch eine Menge von kleinen persönlichen und gesellschaftlichen Verumständungen gehört dazu, wenn es dem jungen Künstler gelingen soll, sein Erstlingswerk an den Mann zu bringen, und von diesem einzigen Erfolge hängt meistens das weitere glückliche Fortschreiten der nächsten fünf, ja zehn Jahre ab, die Entscheidung, ob die lange Jugend bis tief in die Männerjahre hinein eine blühende und glückliche Zeit oder eine dürre und finstere sein, freilich auch oft, ob der Mann auf der leichtfertigen und oberflächlichen oder auf der tieferen und nachhaltigen Seite des Lebens stehen soll. Gleich dem armen Weibe, dessen Leben im Niedergange ist und welches aus zarter Baumwolle und etwas Goldschaum ein Schäfchen wickelt, dasselbe auf den Weihnachtsmarkt trägt und dort mit seinen vier steifen Beinchen auf einen trockenen Stein setzt, gewärtigend, ob einer von den tausend Vorübergehenden seinen Blick auf das Schäfchen lenke und dasselbe kaufe, stellt in der Regel der junge Kunstmann, dessen Leben im Aufgange ist, sein erstes Werk an einen öffentlichen Ort, und all sein Vertrauen und seine Hoffnung auf das, was er gelernt und geleistet hat, vergessend, ist er schon bereit, nur den Zufall zu preisen, der einen geneigten Käufer vor sein Weihnachtslämmchen führt und durch ein halbes Almosen vielleicht seinem Lebenslaufe den Ausschlag gibt.
Als Heinrich zu Ende des ersten Jahres seinen letzten Taler in der Hand hielt, und vorher keinen Augenblick, machte er endlich ernstliche Anstalten, sich sein Brot zu erwerben, und zweifelte nicht im mindesten, daß dieses bei der ersten offenen Bemühung sofort gelingen werde, zumal er täglich Arbeiten verkaufen sah, welche zustande zu bringen er für kein Hexenwerk hielt. Er beschloß, ein Bild auszustellen, und ersann zu diesem Ende hin ein anmutiges und reichhaltiges Motiv, welches nicht nur die Entfaltung poetischer Einfälle und feiner Zeichnung, sondern auch schöne Farbenverhältnisse von selbst bedingte und mithin ein sehr glücklich und richtig gewähltes war.
Als er es entworfen hatte, ersuchte er einen Künstler, welchem er vom Sehen einigermaßen bekannt war, ihn einmal mit seinem Besuch zu beehren und seines guten Rates teilhaftig zu machen. Der Künstler, ein stattlicher verheirateter Mann mit einem ansehnlichen Leibe, war einer von denen, die in der Wolle sitzen, und er verdiente es auch vollkommen; denn er war ein gesunder und meisterhafter Kumpan und schritt mit seinen schön und energisch gemalten Bildern, die von selbst eine glänzende Kritik alles Schwächlichen waren, rüstig über den krabbelnden und kletternden Anspruch des gedankenlosen Haufens hinweg. Sein Wahlspruch war »Erst etwas recht lernen und dann gute Musik machen! Nichts trübseliger, als allerlei lernen und dann schlecht musizieren!«
Es war seit Jahren das erste Mal, daß ein erfahrener Meister wieder Heinrichs Arbeit beriet und kritisierte, und dieser fand alle Ursache, über sein eigenes Ungeschick zu erstaunen, als der Mann in seinem Entwurfe herumwirtschaftete und denselben so trefflich behandelte und zusammenrückte, daß durch die Anwendung der kräftigen und praktischen Meisterkünste des dicken Herrn Heinrichs Idee erst schön und wahrhaft idealisiert wurde. Es zeigte sich, daß das reale technische Wissen und Empfinden allein die Gedanken gut macht und noch bessere von sich aus vermittelt und hervorzurufen imstande ist. Durch das bloße Besprechen und Durcharbeiten der äußeren technischen Seite des Gegenstandes taten sich mehrere ganz neue und glückliche Motive auf, welche gewissermaßen in der Natur der Sache lagen und doch die ursprünglichen Erfindungen des armen Heinrich,
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