Der gruene Heinrich [Erste Fassung]
dem Hause zurück, als ob er etwas darin habe entwenden wollen.
Als der Sonntagmorgen kam, wo ein elegantes Publikum die Räume füllte, in welchen die neuen glänzenden Bilder hingen, ging Heinrich mit einigen Bekannten hin und sah sein Werk, weit weg an ihm vorübergehend, mit einem halben Blick dahängen. Sogleich kam es ihm, indem sein Auge auf andere stattliche Gegenstände hinüberstreifte, unerträglich vor in seiner bleichen Farblosigkeit. Als er aber in einen Nebensaal trat, hing da im besten Lichte der gleiche Gegenstand, unübertrefflich gemalt mit wenigen sehr zweckmäßigen Abänderungen von jenem tüchtigen Meister, welcher seine Skizze kritisiert und die hübsche Kritik in die Tasche gesteckt hatte. Wie vom Donner gerührt, betrachtete Heinrich das Bild und konnte nicht umhin, über das, was der Künstler daraus gemacht hatte, die größte Freude allmählich zu empfinden und sich sogar geschmeichelt zu fühlen. Übrigens war das Bild schon mit einem Zettel versehen, welcher anzeigte, daß die Kommission dasselbe bereits zu einem sehr erklecklichen Preise angekauft, noch ehe es ausgestellt gewesen, und jedermann lobte den Kauf.
Heinrichs Bekannte, welche so schlecht und recht zum betriebsamen, nicht ungeschickten Mittelschlage gehörten, waren höchlich entrüstet über das Verfahren eines wohlversorgten und glücklichen Meisters und nannten sein frisch und munter glänzendes Werk einen Diebstahl und eine rücksichtslose Räuberei, eine Herzlosigkeit und eine Gemeinheit. Heinrich jedoch schwieg still und verarbeitete, als ein löblicher und gelehriger Jüngling, die soeben gemachte Erfahrung, die er sogleich begriff daß es in Sachen der Kunst keinerlei Patent gibt, sondern nur den einen Satz Mach's, wer kann! sei's, wer's wolle, wenn's nur entsteht! und daß, wer eine gute Idee schlecht ausfahrt, dem Rabenvater gleicht, welcher ein Kind aussetzt, wer sie rettet, demjenigen, der es aufnimmt und pflegt!
Er fühlte keinen Groll gegen den behenden Meister, sondern veranstaltete stracks die Wegnahme seiner eigenen Arbeit und steckte beschämt jenen Zettel wieder ein, auf welchem er seinen Preis angegeben hatte nebst seinem Namen.
Dies war einstweilen der erste und letzte Versuch Heinrichs, durch seiner Hände Arbeit sein Leben zu gewinnen, und nichts ging daraus hervor als die unbezahlte Rechnung für den ernsthaften stoischen Rahmen. Er begann zwar bald einige andere Sachen, welche er besser zu machen gedachte, und man sollte glauben, daß er bei seiner Unbefangenheit und Einsicht dies wirklich hätte müssen zuwege bringen; aber es ist eben das Kennzeichen der berufenen Meister einer Are, daß sie von selbst mit dem Guten und Richtigen den Drang verbinden nach gemeiner Brauchbarkeit und Genießbarkeit und das Ziel erreichen, ohne ihrer Ehre zu vergeben; der Dilettanten dagegen, daß sie immer wieder in ihren unfruchtbaren Eigensinn zurückfallen und dem angenehmen Erfolge hochfahrend entsagen. Dies nennen sie meistens edlen Stolz und treues Beharren am Höheren. Bei Heinrich war es indes nicht sowohl dieser Eigensinn als die zuströmende Gedankentätigkeit, welche, keinen andern Ausweg sehend, ihn abermals bald auf das alte Erfindungswesen und die wechselnde Unternehmungslust geraten ließ, das dringende Lebensbedürfnis allmählich vergessend. Dazu war er scheu und zag geworden, der Welt seine Arbeit gegen Geld anzubieten, und war aufrichtig überzeugt, daß dieses unrechtmäßig gewonnen wäre, solange er nicht selbst zufrieden sei mit seinen Erzeugnissen, ungleich jenen rüstigen Weltmenschen, welche sich desto mehr mit einem glückhaften Erwerbe brüsten, je wertloser und törichter das ist, was sie leisten und durch irgendeine verkehrte Laune des Geschmackes unterzubringen wissen.
Während er aber solche stolze Ehrlichkeit besaß, besann er sich, da er Kredit fand als ein unbescholtener junger Mensch, gar nicht, Schulden zu machen, und fand es ganz in der Ordnung, auf diese Weise bequem und ohne weiteres Kopfzerbrechen das zweite Jahr hindurch zu leben.
Die Schulden sind für den modernen Menschen eine ordentliche hohe Schule, in welcher sich sein Charakter auf das trefflichste entwickeln und bewähren oder in welcher er, falls dieser von Hause aus fest ist, sein Urteil und seine Anschauungsweise der Welt gründen und regulieren kann. Jener beliebte Paragraph in den gang und gäben Verhaltungslehren »eines Vaters an seinen Sohn« Borge von niemandem, aber borge auch niemandem, denn das Borgen
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