Der gruene Heinrich [Erste Fassung]
einen Fehler. Die einen Menschen verhalten sich unablässig im Kleinen höchst zweckmäßig, ausdauernd und ängstlich, ohne je einen festen Grund unter den Füßen und ein klares Ziel vor Augen zu haben, indessen anderen es unmöglich ist, ohne diesen Grund und dieses Ziel sich zweckmäßig und absichtlich zu verhalten, aus dem einfachen Grunde, weil sie gerade aus Zweckmäßigkeit nicht aus nichts etwas machen können und wollen. Diese halten es dann für die größte Zweckmäßigkeit, sich nicht am Nichtssagenden aufzureiben, sondern Wind und Wellen mit der tieferen, der wahren menschlichen Geduld über sich ergehen zu lassen, aber jeden Augenblick bereit, das rettende Tau zu ergreifen, wenn sie nur erst sehen, daß es irgendwo befestigt ist. Sind sie am Lande, so wissen sie, daß sie alsdann wieder die Meister sind, während jene noch auf ihren kleinen Balken und Brettchen herumschwimmen, die über eine Spanne weit immer zu Ende sind. Wer immer emsig zappelt und zweckmißt, dessen Ausdauer ist alles andere, nur keine Geduld, welche wirklich etwas erdulden
und über sich ergehen lassen will.
Heinrich entledigte sich nun, da die Sachen blieben, wie sie waren, nach und nach aller Gegenstände, für welche man ihm irgend etwas geben wollte, und indem er je nach diesen Einkünften sich gütlich tat oder sich dürftig behelfen mußte, wurde er erst jetzt, als sein fahrendes wunderliches Eigentum verschwand, arm wie eine Kirchenmaus. Das letzte, was er besaß, waren seine Mappen. Er hatte schon wiederholt versucht, eine bessere Studie oder Zeichnung, da dergleichen oft zum Verkaufe geeignet und gesucht ist, bei den Kunsthändlern anzubringen; allein er war zu seiner Beschämung immer kurz abgewiesen worden als einer, der etwas anbietet, und zwar, wie es zu sehen war, aus Not. Jetzt nahm er abermals einige Blätter und ging damit in eine abgelegene Seitengasse zu einem alten seltsamen Männchen, welches einen erbärmlichen Kram von allerlei Schnickschnack führte und in seinem dunklen Laden saß und allerhand laborierte. Am Fenster hatte dieser Mann immer einige vergilbte Zeichnungen oder Druckblätter hangen ohne Wert, wie sie der Zufall zusammengeweht, und ebenso wertlos war eine kleine Bildersammlung im Innern des armseligen Magazins, das Ganze eine jener Zufluchtsstätten und Vermittlungsanstalten für jene gottverlassene Klasse von Kunstbeflissenen, die gänzlich von jeder Weihe, jedem Bewußtsein und jeder Bildung entfernt ihr Wesen treibt in seltsamer Industrie und Armut, ohne Handwerker zu sein. Hier holten sich die Bierwirte der untersten Ordnung oder die Kunstfreunde mit fünfhundert Gulden Einkommen ihren Bedarf, um das für wenige Münzen erstandene Meisterwerk, sobald es in ihrem Besitze war, mit rührender Bewunderung zu preisen. Heinrich hatte bei dem Männchen in seinen guten Tagen zuweilen eine verlorene gute Radierung und dergleichen gekauft, welche der Seltsame, der sich mit eben der Befugnis, welche seine Käufer zu Kunstkennern schuf, zum Kunstmäkler aufgeworfen hatte, mit großem Mißtrauen und Widerstreben zu geringen Preisen abließ, indem er den Wert nicht beweisen konnte und, wenn ein gebildeter Käufer sich bei ihm einfand, stets um einen ungeheuren verborgenen Schatz gebracht zu werden fürchtete.
Auf den Tisch dieses Mannes, der außerdem noch mit einer Kaffeekanne, einer auseinandergenommenen Schwarzwälderuhr, einem Kleistertopfe und verschiedenen Firnisgläsern beladen war, legte Heinrich jetzt seine guten Blätter, welche fleißig und treulich gezeichnete Waldstellen aus seiner Heimat enthielten, und mit dem gleichen Mißtrauen, mit dem das greise Männchen sonst ihm etwas verkauft hatte, betrachtete es jetzo die unschuldigen Studien und den jungen Mann. Seine erste Frage war, ob er sie selbst gemacht habe, und Heinrich zögerte mit der Antwort; denn noch war er zu hochmütig gegenüber dem übrigens freundlichen Trödelmännchen, zu gestehen, daß die Not ihn mit seiner eigenen Arbeit in dessen düstere Spelunke treibe. Der graue Krämersmann jedoch, wenn er ein sehr schlecht beratener Kunstkenner war, verstand sich um so besser auf die Menschen und schmeichelte dem Widerstrebenden ohne weiteres die Wahrheit ab, deren er sich, wie er aufmunternd sagte, nicht zu schämen brauche, vielmehr zu rühmen hätte; denn die Sachen schienen ihm in der Tat gar nicht übel, und er wolle es wagen und etwas Erkleckliches daranwenden. Er gab ihm auch so viel dafür, daß Heinrich einen oder zwei
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