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Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Der gruene Heinrich [Erste Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Erste Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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Reihen zu setzen. Seine vorzüglichste Gabe aber war eine gewisse Fähigkeit, mit verständiger Besprechung alles zu überspinnen, Verhältnisse auszuklügeln und mit vielsagender Miene Aufschlüsse und Vermutungen aufzustellen, welche über unser Alter hinausgingen. Dabei war er ein zuverlässiger und kurzweiliger Gesell, gesucht und nützlich, fing wenig Streit an, aber focht einen solchen höchst hartnäckig aus und war daher um so respektierter, als er immer wohlbedächtig auf der Seite stand, wo das wirkliche oder scheinbare Recht ersichtlich war.
    Er war anderthalb Jahre älter als ich, hatte sich indessen enger an mich geschlossen als alle übrigen, so daß wir eine besondere Freundschaft bildeten und jeden freien Augenblick beisammen waren. Er ergänzte mich vortrefflich und sagte mir daher sehr zu. Meine Unternehmungen gingen immer auf das Phantastische, Bunte und Wirksame aus, während er durch Genauigkeit und Dauerhaftigkeit der mechanischen Arbeit meinen flüchtigen und rohen Entwürfen Nutzen und Ordnung verlieh. Meierlein ließ mein Geheimnis ebenso vorsichtig bestehen wie die anderen, obwohl es für seine verständige Aufmerksamkeit noch weniger eines sein konnte; doch ließ er nicht ebenso zwischendurch seine Einsicht ahnen, sondern bestrebte sich vielmehr, mich von den zu leichtsinnigen Ausgaben abzuhalten und meine Wünsche auf scheinbar nützliche und gute Dinge zu richten mit gesetzten Worten, was dem Verkehr mit ihm einen soliden Anstrich verlieh. Nur für sich selbst war er mit noch größerm Eifer bedacht als die übrigen, und sich nicht begnügend mit meiner unmittelbaren Freigebigkeit, errichtete er mit großer Einsicht ein Schuldverhältnis zwischen mir und ihm, indem er sich haushälterisch aus meinem Gelde eine kleine Kasse ansammelte, aus welcher er mir, wenn ich augenblicklich nicht über mein Kästchen konnte, mäßige Vorschüsse machte, die wir gemeinsam verbrauchten und die er in ein zierlich angefertigtes Büchelchen eintrug, dessen Seiten mit Soll und Haben ansehnlich überschrieben waren. Überdies wußte er mir eine Menge kindischer Gegenstände zu verkaufen, deren Betrag er durchaus nicht in bar annehmen wollte, sondern in sein Buch setzte. Seine Gewandtheit in den verschiedensten Übungen verwertete er ebenfalls, er war mein dienstbarer Dämon, der alles konnte und alles in Angriff nahm, was wir wünschten, aber jede Dienstleistung durch kleine Münzsorten in meinem Schuldregister bezeichnete. Auf Spaziergängen reizte er mich stets, seine Geschicklichkeit auf die Probe zu stellen. »Soll ich mit diesem Steinchen jenes dürre Blatt treffen?« sagte er, und ich erwiderte: »Das kannst du nicht!« – »Willst du mir einen Kreuzer schuldig sein, wenn ich es tue?« – »Ja«, und er traf es und erschwerte unter den gleichen Bedingungen die Aufgabe manchmal zwölfmal hintereinander, ohne sie je zu verfehlen. Dann schrieb er den Betrag genau in sein Buch mit allerliebsten wohlgestalteten Zahlen, was mir solches Vergnügen gewährte, daß ich laut auflachte. Er aber sagte ernsthaft, da sei gar nichts zu lachen, ich sollte bedenken, daß ich alles einmal berichtigen müßte und daß sein Büchlein eine ordentliche Bedeutung und Gültigkeit hätte vor jedem Geschäftsmann!
    Dann veranlaßte er mich wieder zu zahlreichen Wetten, ob z.B. ein Vogel sich auf diesen oder jenen Pfahl setzen, ob ein vom Winde bewegter Baum sich das nächste Mal so oder so tief niederbeugen, ob am Gestade des Sees mit dem fünften oder sechsten Wellenschlage eine große Welle ankommen würde.
    Wenn bei diesem Spiele der Zufall mich manchmal gewinnen ließ, so setzte er in seinem Buche auf die Seite des Soll mit wichtiger Miene ein knappes Zählchen, welches sich in seiner Einsamkeit höchst wunderlich ausnahm und mir neuen Stoff zum Lachen, ihm hingegen zu ernsthaften Redensarten gab. Er suchte mich eifrigst zu überzeugen, daß Schulden eine wichtige Ehrensache seien, und eines Tages, als der Sommer sich seinem Ende nahte, überraschte mich Meierlein mit der Nachricht, daß er nun »abgerechnet« habe, und zeigte mir eine runde Zahl von mehreren Gulden nebst einigen Kreuzern und Pfennigen und bemerkte dabei, daß es nun tunlich wäre, wenn ich darauf dächte, ihm den Betrag einzuhändigen, indem er wünsche, aus seinen Ersparnissen sich ein schönes Buch zu kaufen. Doch erwähnte er hierüber die nächsten zwei Wochen nichts mehr und legte inzwischen eine neue Rechnung an, welches er mit vermehrtem Ernste

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