Der gruene Heinrich [Erste Fassung]
eine Art dunklen Entschlusses, daß es das letzte Mal sein solle.
So ging es den ganzen kurzen Sommer hindurch. Die veranlassende Laune war längst verflogen, die Teilnehmer hatten sich dem ordentlichen Lauf der Dinge wieder gefügt, auch über mich hätten Maß und Bescheidenheit ihre Herrschaft wiedergewonnen, wenn nicht eine andere Leidenschaft aus der Sache erwachsen wäre, nämlich die des unbeschränkten Geldausgebens, der Verschwendung an sich. Es reizte mich, jeden Augenblick die kleinen Herrlichkeiten, wonach jenes Alter gelüstet, kaufen zu können; immer hatte ich die Hand in der Tasche, um mit Münzen hervorzufahren; Gegenstände, welche Knaben sonst vertauschen, kaufte ich nur mit barem Gelde, gab solches an Kinder, Bettler und beschenkte einige Gesellen, die meinen Schweif bildeten und meine Verblendung benutzten, solange es ging Denn es war eine wirkliche Verblendung. Ich bedachte im mindesten nicht, daß die Sache doch ein Ende nehmen müsse, nie mehr öffnete ich das Kästchen ganz und übersah das Geld, sondern schob nur die Hand unter den Deckel, um ein Stück herauszunehmen, und überdachte auch nie, wieviel ich schon verschleudert haben müsse. Ich empfand auch keine Angst vor der Entdeckung, in der Schule und bei meinen Arbeiten hielt ich mich nicht schlimmer als früher, eher besser, weil keine unbefriedigten Wünsche mich zu träumerischem Müßiggange verleiteten und die vollkommene Freiheit des Handelns, welche ich beim Geldausgeben empfand, sich auch im Arbeiten durch eine gewisse Raschheit und Entschlossenheit äußerte. Zudem fühlte ich das dunkle Bedürfnis, das unsichtbare Unheil, welches über mir sich sammelte, durch sonstige Pflichterfüllung einigermaßen aufzuwiegen.
Jedoch trotz allem befand ich mich jenen ganzen Sommer hindurch in einem unheimlichen und peinvollen Zustande, dessen Erinnerung, verbunden mit derjenigen an den blauen Himmel und Sonnenschein, an die stillen grünen Waldschenken, in welche wir uns zu heimlichen Gelagen verkrochen, eine seltsame Empfindung wachruft. Meine Genossen mußten längst gemerkt haben, daß es mit meinem Gelde nicht mit rechten Dingen zugehe, aber sie hüteten sich sorgfältig, einen Verdacht zu äußern oder die leiseste Frage an mich zu tun; vielmehr stellten sie sich, als ob sich alles von selbst verstünde, waren mir stillschweigend behilflich, die auffälligen blanken Silberstücke umzuwechseln, ohne in Erörterungen einzugehen, und als die Herrlichkeit ein Ende nahm, wandten sie sich ganz trocken und unbeteiligt von mir, ganz wie erwachsene brave Geschäftsleute, welche in aller Seelenruhe auch den Gewinn der Unredlichen an sich bringen, ohne über den Ursprung desselben Forschungen anzustellen. Dies vorausgeahnte Benehmen drückte mich um so mehr, als ich bald bemerkte, daß sie sich sonderbar gemessen gegen mich betrugen und nur wärmer wurden, wenn ich wieder ein Geldstück auf die Straße brachte, daneben aber sich anderweitig über mich zu besprechen schienen. Während jedoch die kleinliche und gewöhnliche Art der Mehrzahl keine heftige und leidenschaftliche Trennung bedingte, sollte mir die energische Selbstsucht eines einzigen und der daraus entspringende Haß Kummer und Leiden bereiten, wie sie wohl selten in diesem Alter sich zeigen.
Derselbe war ein kleiner Bursche mit kleinen regelmäßigen Gesichtszügen, welche von Sommersprossen bedeckt waren. Er besaß einen frühreifen Verstand, lernte fleißig und genau, bestrebte sich gegen ältere Leute, besonders gegen Frauen, in wohlgesetzten, altklugen Worten auszudrücken und galt daher für einen ordentlichen ersprießlichen Jungen. Er war fast in allen Übungen geschickt, durch Aufmerksamkeit und Ausdauer, und brachte alles, was er unternahm, auf eine zierliche Weise zustande. Meierlein, so hieß er, besaß aber kein tieferes Talent; in seinen verschiedensten Unternehmungen war nie etwas Neues oder Eigenes sichtbar, sondern er brachte nur das gut zuwege, was er sich vorgemacht sah, und ihn beseelte nur ein unablässiges Bedürfnis, sich alles Erdenkliche anzueignen. Deshalb konnte er ebensowohl eine vollkommene und reinliche Papparbeit hervorbringen als über einen breiten Graben setzen oder Ball schlagen oder mit einem Steinchen eine bezeichnete Stelle an einer Mauer treffen, alles durch langsame und anhaltende Übung; seine Schulhefte waren korrekt und in bester Ordnung, seine Schrift klein und zierlich, besonders seine Zahlen wußte er ausnehmend angenehm und rundlich in
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