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Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Zweite Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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schleuderte Darüber wurde dieser wütend und hieb dem David ebenso derb auf den Kopf, und sogleich waren beide im heftigsten Raufen ineinander verknäuelt. Die Zuschauer und die beiden Chöre klatschten Beifall und nahmen Partei; ich selbst saß rittlings oben auf dem Fasse, ein Lichtstrümpfchen in der einen und eine tönerne Pfeife mit Kolophonium in der andern Hand, und blies als Zens gewaltige, ununterbrochene Blitze durch das Spundloch hinein, daß die Flammen durch das grüne Laub züngelten und das Silberpapier auf Goliaths Helm magisch erglänzte. Dann und wann guckte ich schnell durch das Loch hinunter, um dann die tapfer Kämpfenden ferner wieder mit Blitzen anzufeuern, und hatte kein Arges, als die Welt, welche ich zu beherrschen wähnte, plötzlich auf ihrem Lager wankte, überschlug und mich aus meinem Himmel schleuderte; denn Goliath hatte endlich den David überwunden und mit Gewalt an die Wand geworfen. Es gab ein großes Geschrei, der Eigentümer des Fasses kam heran und schloß das rollende Haus, nicht ohne Schelten und ausgeteilte Püffe, als er die willkürlichen Veränderungen entdeckte, welche angebracht waren.
    Jedoch vermißten wir dies verbotene Paradies nicht allzusehr, da bald darauf eine deutsche Schauspielergesellschaft in unsere Stadt kam, um mit obrigkeitlicher Bewilligung vor den Bewohnern das leichte Haus der Leidenschaften in einem vollkommenern Maße aufzubauen, als bisher von Liebhabern und Kindern geschehen war. Der wandernde Künstlerverein schlug seinen Sitz in einem Gasthause der Stadt auf, wandelte den geräumigen Tanzsaal in ein Theater um und füllte zugleich alle bescheideneren Zimmer und Räume mit seinem häuslichen Leben. Nur der Direktor bewohnte vornehm ein glänzenderes Gemach.
    Übrigens zog uns das belebte Haus nicht nur während der abendlichen Vorstellungen an, sondern wir hatten auch während des Tages genug vor demselben zu stellen und zu beobachten, teils um die bewunderten Helden und Königinnen in ihrer verwegenen und anmutigen Tracht und Haltung aus und ein gehen zu sehen, teils um keine Maschine, keinen Korb mit roten Mänteln und Degen, kein Requisit aus den Augen zu verlieren, welches hineingetragen wurde. Vorzüglich hielten wir uns auch vor einem offenen Hintergebäude auf, wo ein kühner Maler inmitten einer Anzahl Töpfe, aufrechtstehend und die eine Hand in der Hosentasche, mit einem unendlich verlängerten Pinsel Wunder auf das ausgebreitete Tuch oder Papier warf. Ich erinnere mich deutlich des tiefen Eindruckes, welchen die einfache und sichere Art auf mich machte, mit welcher er duftige und durchsichtige weiße Vorhänge um die Fenster eines roten Zimmers zauberte; mit den wenigen weißen, wohlangebrachten Strichen und Tupfen auf dem roten Grunde ging ein Licht in mir auf, der ich vor solchen Dingen, wenn sie in der nächtlichen Beleuchtung vor mir standen, begriffslos gestaunt hatte. Es dämmerte die erste Einsicht in das Wesen der Malerei; das freie Auftragen von dichten deckenden Farben auf durchsichtige Unterlagen machten mir vieles klar; ich begann nachher der Grenze dieser zwei Gebiete nachzuspüren, wo ich ein Gemälde zu sehen bekam, und meine Entdeckungen hoben mich über den wehrlosen Wunderglauben hinaus, welcher es aufgibt, jemals dergleichen selbst zu verstehen.
    An den Abenden, wo gespielt wurde, waren wir vollzählig und unfehlbar auf unserm Platze und schlichen wie die Katzen um das Gebäude herum. Da ich bei der Sparsamkeit meiner Mutter keine Möglichkeit sah, auf legalem Wege in das Innere des Kunsttempels zu gelangen, so befand ich mich doppelt wohl bei meinen Genossen der Armenschule, welche ebenfalls darauf angewiesen waren, entweder durch kleine Dienstleistungen oder durch verwegene Schlauheit durchzuschlüpfen. Es gelang mir auch mehrere Male, mich mit klopfendem Herzen in den angefüllten Saal zu schleichen, und überflog mit befriedigten Blicken die Dekorationen, wenn der Vorhang aufging, dann die Kostüme und Trachten der Spieler, um endlich, nachdem schon Erkleckliches gesprochen war, mich in das Studium der Fabel zu vertiefen. Ich war bald ein großer Kenner und disputierte reichlich, unter angenommener Kaltblütigkeit, mit meinen Freunden. Dieser Zwiespalt, die angenommene kennerhafte Ruhe und das unausbleibliche leidenschaftliche Hingeben auch an das verworfenste Stück fing an mich zu ärgern, und ich sehnte mich auch sonst, mit einem Schlage hinter die Kulissen zu kommen und das berückende Spiel und seine Spieler

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