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Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Der gruene Heinrich [Zweite Fassung]

Titel: Der gruene Heinrich [Zweite Fassung] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gottfried Keller
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Manne; nur so viel ist gewiß, daß damals die Reihe einer ehrbaren Unvermöglichkeit an seiner engeren Familie war. Da ich nicht annehmen mag, daß der ganz unbekannte Urgroßvater ein liederlicher Kauz gewesen sei, so halte ich es für wahrscheinlich, daß sein Vermögen durch eine zahlreiche Nachkommenschaft zersplittert wurde; wirklich habe ich auch eine Menge entfernter Vettern, welche ich kaum noch zu unterscheiden weiß, die, wie die Ameisen krabbelnd, bereits wieder im Begriffe sind, ein gutes Teil der viel zerhackten und durchfurchten Grundstücke an sich zu bringen. Ja, einige Alte unter denselben sind in der Zeit schon wieder reich gewesen und ihre Kinder wieder arm geworden.
    Dazumal war es nicht ganz mehr jene Schweiz, welche dem Legationssekretär Werther so erbärmlich vorgekommen ist, und wenn auch die junge Saat der französischen Ideen durch einen ungeheuern Schneefall östreichischer, russischer und selbst französischer Quartierbilletts bedeckt worden war, so gestattete doch die Mediationsverfassumg einen gelindert Nachsommer und verhinderte meinen Vater nicht, die Kühe, die er weidete, eines Morgens stehenzulassen und nach der Stadt zu gehen, um ein gutes Handwerk zu erlernen. Von da an verscholl er so ziemlich für seine Mitbürger; denn nach harten, aber gut bestandenen Lehrjahren führte ihn sein Trieb, einen immer kühnern Schwung nehmend, in die Ferne, und er durchschweifte als ein geschickter Steinmetz entlegene Reiche. Indessen aber hatte der sanftknisternde Papierblumenfrühling, welcher nach der Schlacht bei Waterloo aufging, wie überallhin, so auch in alle Winkel der Schweiz sein bläuliches Kerzenlicht verbreitet; auch in meines Vaters Geburtsdorf, dessen Bewohner in den neunziger Jahren ebenfalls entdeckt hatten, daß sie seit undenklichen Zeiten mitten in einer Republik lebten, war die ehrwürdige Dame Restauration mit allen ihren Schachteln und Kartons feierlich eingezogen und richtete sich in dem Neste so gut ein, als sie konnte. Schattige Wälder, Höhen und Täler mit den angenehmsten Freudenplätzen, ein fischreicher, klarer Fluß und die Wiederholung aller dieser guten Dinge in einer weiten, belebten Nachbarschaft, welche sogar noch mit einigen bewohnten Schlössern geziert war, zogen den einwohnenden Herrschaften eine Menge jagender, fischender, tanzender, singender, essender und trinkender Gäste aus der Stadt zu. Man bewegte sich um so leichter, als man den Reifrock und die Perücke weislich da liegenließ, wohin sie die Revolution geworfen hatte, und das griechische Kostüm der Kaiserzeit, wenn auch in diesen Gegenden etwas nachträglich, angetan hatte. Die Bauern sahen mit Verwunderung die weißumflorten Göttergestalten ihrer vornehmen Mitbürgerinnen, ihre sonderbaren Hüte und noch merkwürdigeren Taillen, welche dicht unter den Armen gegürtet waren.
    Die Herrlichkeit des aristokratischen Regimentes entfaltete sich am höchsten im Pfarrhause. Die reformierten Landgeistlichen der Schweiz waren keine armen, demütigen Schlucker wie ihre Amtsbrüder im protestantischen Norden.
    Da alle Pfründen im Lande fast ausschließlich den Bürgern der herrschenden Städte offenstanden, so bildeten sie zu den weltlichen Ehrenstellen eine Ergänzung im Systeme der Herrschaft, und die Pfarrer, deren Brüder das Schwert und die Waage handhabten, nahmen teil an der Glorie, wirkten und regierten auf ihre Weise im Sinne des Ganzen kräftig mit oder überließen sich einem sorgenfreien, vergnüglichen Dasein. Sehr oft waren sie von Haus reich, und die ländlichen Pfarrhäuser glichen eher den Landsitzen großer Herren; auch gab es eine Menge adeliger Seelenhirten, welche die Bauern Junker Pfarrer nennen mußten. Ein solcher war nun zwar der Pfarrer meines Heimatdorfes nicht, auch nichts weniger als ein reicher Mann; doch sonst einer alten Stadtfamilie angehörend, vereinigte er in seiner Person und in seinem Hauswesen allen Stolz, Kastengeist und Lustbarkeit eines warmgesessenen Städtetumes. Er tat sich etwas darauf zu gut, ein Aristokrat zu heißen, und vermischte seine geistliche Würde ungezwungen mit einem derben, militärisch-junkerhaften Anstriche; denn man wußte dazumal noch nichts weder von dem Namen noch von dem Wesen des modernen Traktätlein-Konservatismus. Es ging in seinem Hause geräuschvoll und lustig her; die Pfarrkinder steuerten reichlich, was Feld und Stall abwarf, die Gäste holten sich selbst aus dem Forste Hasen, Schnepfen und Rebhühner, und da Treibjagden doch

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