Der grüne Strahl
denen aufgesucht wird, welche in der glücklichen Lage sind, ihre gewohnten Spaziertouren am Clyde mit einem Ausfluge nach dem, von allen Vergnügungsreisenden hochgeschätzten Lac Katrine oder nach dem Lac Lomond zu vertauschen.
Das Landhaus »Helenenburgh«. (S. 17.)
Eine Meile von diesem kleinen Städtchen entfernt, am Ufer des Gare-Loch hatten die Brüder Melvill den reizendsten Platz ausgewählt, um daselbst ihr Landhaus zu errichten.
Es lag hier versteckt in prächtigen Bäumen, mitten in einem Netze klarer Wasseradern, auf wechselndem Terrain, das sich zur Anlegung eines Parkes ganz vorzüglich eignete. Erquickende schattige Partien, frisch grünender Rasen, verschiedene Baumgruppen, Blumenbeete, Wiesen, auf denen ein ausgezeichnetes Futter für die zur Belustigung gehaltenen Lämmer wuchs, Teiche mit klaren dunklen Wasserflächen, bevölkert von wilden Schwänen, von jenen graziösen Vögeln, über welche Wordsworth gesagt hat: »Der Schwan schwimmt zweimal – Der Schwan und sein Schattenbild!« kurz, was die Natur nur vereinigt bieten kann, um das Auge zu ergötzen, ohne daß des Menschen Hand viel daran zu schaffen hat – so war der Sommersitz der reichbegüterten Familie beschaffen.
Wir dürfen nicht vergessen hinzuzufügen, daß der, über dem Gare-Loch liegende Theil des Parkes eine wirklich entzückende Aussicht bot. Jenseits des beschränkten Golfs zur Rechten wurde der Blick zuerst gefesselt von der Halbinsel Rosenheat, auf der sich eine dem Herzog von Argyle gehörige Villa in italienischem Styl erhob.
Zur Linken begleitete die Häuserreihe des Städtchens Helensburgh die Wellenlinie des Strandes, ragten zwei oder drei Thürme empor, streckte sich der elegante Pier aus, der als Anlageplatz für Dampfboote in den See hinausgebaut ist, und stieg endlich der hügelige Hintergrund, den da und dort verstreute freundliche Besitzungen belebten, terrassenförmig in die Höhe. Geradeaus, am linken Ufer des Clyde, bildeten Port-Glasgow, die Ruinen des Schlosses Newark und Greenock mit seinem buntbewimpelten Mastenwalde ein abwechslungsreiches Panorama, von dem sich das Auge nur ungern trennte.
Diese Aussicht gewann noch an Reiz, wenn man den Hauptthurm des Landhauses erstieg, von wo aus eine weite Strecke bis zum Horizonte zu überschauen war.
Diesen viereckigen Thurm, mit leichten, an drei Ecken seiner Plattform angesetzten Ausbauten, mit seinen Zinnen und Schießscharten, den auch ein Gürtel ausgezahnter Steine umschloß, überragte an der vierten Ecke noch ein achtseitiges Thürmchen. Hier erhob sich die Flaggenstange, welche man in dieser Gegend überhaupt auf dem Dache jedes Hauses ebenso wiederfindet, wie am Hintertheil der Schiffe des Vereinigten Königreichs. Diese Art Donjon von neuem Datum beherrschte also sämmtliche zur eigentlichen »Cottage« gehörenden Baulichkeiten mit ihren unregelmäßigen Dächern, den fast nach Gutdünken angebrachten Fenstern, den vielgestaltigen Giebeln und die Façade unterbrechenden Vorbauten, mit den die Fenster umrahmenden Gesimsen und den am oberen Ende verzierten Schornsteinen, Alles in Allem geschmackvolle Phantasien, welche die angelsächsische Architektur überhaupt liebt.
Hier auf der Plattform des oberen Thurmes, unter der Nationalflagge, welche sich bei der Brise entfaltete, verträumte Miß Campbell gern manche Stunde des Tages. Sie hatte sich da oben ein reizendes Plätzchen zurecht gemacht, wo sie – in der freien Luft wie auf einer Sternwarte – bei jeder Witterung, geschützt vor Wind, Sonnenbrand und Regen, lesen, schreiben und schlummern konnte. Hier mußte man sie meistentheils suchen Befand sie sich nicht hier, so lustwandelte sie ihrer Neigung folgend in den Alleen des Parkes, allein oder in Begleitung der Frau Beß, wenn ihr feuriges Roß sie nicht durch die umliegende Landschaft trug, wobei ihr der getreue Patridge folgte, der sein Pferd tüchtig antreiben mußte, um hinter der jungen Herrin nicht zurückzubleiben.
Aus der zahlreichen Dienerschaft der Cottage müssen wir vorzüglich die beiden genannten Leute hervorheben, welche schon von Jugend auf mit der Familie Campbell gewissermaßen verwachsen waren.
Elisabeth, die »Luckie«, die Mutter – wie man die Hausverwalterin in den Hochlanden Schottlands gern nennt – zählte jener Zeit ebenso viele Jahre, als sie Schlüssel an ihrem gewaltigen Bunde trug, und deren waren nicht weniger als siebenundvierzig. Sie stellte eine wirklich umsichtige, ordentliche, ernste,
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