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Der Hagestolz

Der Hagestolz

Titel: Der Hagestolz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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war der Silberblik eines Stromes, und ferne war ein gar so sanftes, fast sehnsuchtreiches Blau der Berge. Diese Berge hatte er schon lange an seiner Linken hinziehend gehabt, nun aber schwangen sie sich in einem Bogen näher gegen die Straße, und zeigten schon die mattfärbigen Lichter und Spalten in ihren Wänden.
    »Wie weit ist es denn noch bis Attmaning?« frug er einen Mann, der in der Gartenlaube eines Dorfwirthshauses saß, und einen kühlen Trunk that.
    »Wenn ihr heute noch ein gutes Stük geht, so könnt ihr es morgen bei rechter Zeit erreichen,« erwiederte dieser, »aber da müßt ihr den Steig nehmen und euch schon ob der Afel gegen das Gebirge schlagen.«
    »Ich will eigentlich in die Hul.«
    »In die Hul? - Da werdet ihr schlechte Aufnahme finden. Aber wenn ihr noch über die Grisel steigen wollt, rechts am See, da kommt ihr zu einem lustigen Hammerschmiede, den ich euch empfehlen kann, wo es schon ein anderes Geschike hat.«
    »Ich muß aber in die Hul.«
    »Nun da habt ihr von Attmaning noch drei schwache Stunden hinein.«
    Victor hatte sich während des Gespräches zu dem Manne nieder gesezt, und sich und den Hund gelabt. Nachdem er mit seinem Nachbar noch einiges hin und her geredet hatte, machte er sich wieder auf, und ging an diesem Tage nach dem Rathe seines neuen Gönners noch ein gutes Stük, bis er zu der Afel kam, die ein blaues klar fließendes Wasser war. Am andern Tage, als kaum die erste Dämmerung leuchtete, sah man ihn schon auf dem von seinem Rathgeber angezeigten und von ihm näher erfragten Fußwege von der Straße ab gegen das Gebirge wandeln. Die riesigen hohen Lasten schritten immer näher gegen ihn, und zeigten im Laufe des Vormittages mannigfaltige, freundliche, schönfärbige Zeichnungen. Rauschende Wässer begegneten ihm, Kohlbauern fuhren; manchmal ging schon ein Mann mit spizem Hute und Gemsbarte - und ehe es zwölf Uhr war, saß Victor bereits unter dem Ueberdache des Gasthauses zu Attmaning, wo er wieder zu der Straße gekommen war, und sah gegen die Gebirgsöffnung hinein, wo alles in blauen Lichtern flimmerte, und ein schmaler Wasserstreifen, wie ein Sensenbliz leuchtete.
    Attmaning ist der lezte Ort des Hügellandes, wo es an das Hochgebirge stößt. Seine hellgrünen Bäume, die nahen Gebirge, sein spizer Kirchthurm und die sonnige Lage machen es zu dem lieblichsten Orte, den es nur immer auf unserer Erde geben kann.
    Victor blieb bis gegen vier Uhr an seinem Gassentischchen - welcher Gebrauch ihn sehr freute - sizen und ergözte sich an dem Anblike dieser hohen Berge, an ihrer schönen blauen Farbe und an den duftigen wechselnden Lichtern darinnen. Dergleichen hatte er nie in seinem Leben gesehen. Was ist der größte mächtigste Berg seiner Heimath dagegen? Als es vier Uhr schlug, und die blauen Schatten allgemach längs ganzer Wände nieder sanken, und ihm die früher geschäzten Fernen derselben wunderlich verrükten, fragte er endlich, wohinaus die Hul liege.
    »Da oben am See,« sagte der Wirth, indem er auf die Oeffnung zeigte, auf welche Victor am Nachmittage so oft hingesehen hatte.
    »Wollt ihr denn heute noch in die Hul?« fragte er nach einer Weile.
    »Ja,« sagte Victor, »und ich will die jezige kühle Abendzeit dazu benüzen.«
    »Da müßt ihr nicht säumen,« erwiederte der Wirth, »und wenn ihr niemanden andern habt, so will ich euch meinen Buben durch das Holz geben, daß er euch dann weiter weise.«
    Victor meinte zwar keines Führers zu bedürfen; denn die Bergmündung stand ja so freundlich und nahe drüben: aber er ließ es dennoch geschehen, und richtete indessen seine hingelegten Reisesachen in Ordnung.
    Seltsam war es ihm auch, daß die Leute, wenn sie von der Hul sprachen, immer »oben« sagten, während für seine Augen die Berge dort so duftschön zusammen gingen, daß er den Wasserschein tief unten liegend erachtete; obwohl er anderseits auch sah, daß die Afel gerade von jener Gegend springend und schäumend gegen Attmaning daher kam.
    »Geh, Rudi, führe den Herrn da auf den Hals hinauf, und zeige ihm dann in die Hul hinunter,« rief der Wirth in das Haus hinein.
    »Ja,« tönte eine kindliche Stimme heraus.
    Alsbald kam auch ein blondhariger, rothbakiger Bube zum Vorscheine, sah Victor mit freundlichen blauen Glozaugen an, und sagte: »So gehe, Herr.«
    Victor hatte seine Rechnung berichtigt, und war zum Aufbruche fertig. Gleich von der Wirthsgasse aus verließ der Knabe mit ihm die Straße, und führte ihn seitwärts auf einem

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