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Der Hagestolz

Der Hagestolz

Titel: Der Hagestolz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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Victors bedekte, als sie einen einsamen Abschied von einander nahmen, als er sie heftig und schmerzlich an sich drükte und von ihr nicht lassen zu können vermeinte. Die zwei Ziehgeschwister weinten bei diesem glükverheißenden Abschiede so sehr, als ob er der trennendste und zerreißendste gewesen wäre, und lange nicht, oder vielleicht nie mehr eine Wiedervereinigung hoffen ließe.
    Die Mutter Ludmilla aber ging in stiller Freudigkeit herum, sie gesegnete den Sohn beim Abschiede, und dachte immer, wie sie es denn durch das wenige Gute, das sie in ihrem Leben stets mehr ausführen gewollt, als gekonnt hatte, verdient habe, daß sie nun Gott in ihrem Alter so sehr belohne, ach so sehr, so sehr belohne.
    Als er fort war, begann das stille, einfache Leben in dem Thale und in dem Hause wieder, wie es bisher immer geführt worden war. Die Mutter that in Unschuld die Geschäfte des Hauses, besorgte alles auf das Beste, erwies Gutes, wo sie es konnte, und ließ eine Fülle häuslicher Habe und Bequemlichkeit für eine nahe Zeit ausrüsten und arbeiten: Hanna war eine ergebene Tochter, die nur immer den Willen der Mutter that, und in innerer Bewegung und Erregung wartete, was die Zukunft bringen werde.
    Als vier Jahre herum waren, und die Briefe aus fremden Ländern, die alle dieselben lieben und bekannten Schriftzüge trugen, zu einem sehr großen Stoße angewachsen waren, kam der Briefschreiber selber, und die Briefe hörten auf. Victor kam so verändert zurük, daß selber die Ziehmutter staunte und überrascht wurde; denn aus dem fast kindischen Jünglinge war in der kurzen Zeit ein Mann geworden. Aber nur sein Verstand und sein Geist hatten sich heraus gebildet, das gute Herz, das sie in ihn gelegt, war unausrottbar geblieben, es war eben so kindlich und unversehrt, wie sie es ihm in der zarten Kindheit gegeben und dann weiter gepflegt hatte; denn ihr Herz vermochte sie ihm zu geben; was aber der starke Mann braucht, und was das harte Leben von ihm heischt, nicht. Hanna sah an Victor keine Veränderung; denn sie hielt ihn von Kindheit auf für gewandter und tüchtiger als sich; daß sie aber eine gute, einfache, große Seele habe, welche unbeugsam das Gute thut wie das Wasser abwärts fließt, das wußte sie nicht, und das sezte sie als ein Gemeingut bei allen Menschen voraus.
    Nicht sehr lange Zeit nach seiner Zurükkunft stand Victor mit Hanna zur ewigen Verbindung an dem Altare - zwei Wesen, deren Antlize die Abbilder von zwei anderen waren, die einmal auch gerne vor demselben Altare gestanden wären, aber durch Unglük und Verschuldung auseinander gerissen worden waren, und dann lebenslänglich bereuten.
    Alle Freunde, die einst jenen Spaziergang zur Feier von Ferdinands Geburtstag mitgemacht hatten, waren bei diesem Feste Victors und Hannas zugegen. Dann war auch noch der Vormund und seine Gattin, dann Rosina, jezt selber schon eine junge Frau, dann Rosinas und Hannas Gespielinnen und noch andere Menschen.
    Nach Vollendung der Festlichkeiten führte Victor Hanna mit Triumph auf sein Gut. Die Mutter ging nicht mit; sie sagte, sie werde schon noch sehen, wie sich alles fügen werde.
    Der Oheim war troz der Bitten Victors, der selber bei ihm gewesen war, nicht zu der Vermählung seines Neffen gekommen. Er saß ganz einsam auf seiner Insel; denn wie er einmal selber gesagt hatte, es war alles, alles zu spät, und was versäumt war, war nicht nachzuholen.
    Wenn man von dem Manne das Gleichniß des unfruchtbaren Feigenbaumes anwenden wollte, so dürfte man vielleicht die Worte sagen: »Der gütige, milde und große Gärtner wirft ihn nicht in das Feuer, sondern er sieht an jedem Frühlinge in das früchtelose Laub, und läßt es jeden Frühling grünen, bis einmal auch die Blätter immer weniger sind, und zulezt nur die dürren Aeste empor ragen. Dann wird der Baum aus dem Garten weggethan, und seine Stelle weiters verwendet. Die übrigen Gewächse aber blühen und gedeihen fort, und keines kann sagen, daß es aus seinen Körnern entsproßen ist und die süßen Früchte tragen wird, wie er.« Dann scheint immer und immer die Sonne wieder, der blaue Himmel lächelt aus einem Jahrtausend in das andere, die Erde kleidet sich in ihr altes Grün, und die Geschlechter steigen an der langen Kette bis zu dem jüngsten Kinde nieder: aber er ist aus allen denselben ausgetilgt, weil sein Dasein kein Bild geprägt hat, seine Sprossen nicht mit hinunter gehen in dem Strome der Zeit. - Wenn er aber auch noch andere Spuren

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