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Der Herr der Ringe

Der Herr der Ringe

Titel: Der Herr der Ringe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. R. R. Tolkien
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stand, als er Ausschau hielt nach Gil-galad, der aus dem Westen kommen sollte in den Tagen des Letzten Bündnisses.«
    Die Hobbits starrten Streicher an. Er schien ebenso beschlagen zu sein in alten Sagen wie im Leben in der Wildnis.
    »Wer war Gil-galad?«, fragte Merry. Aber Streicher antwortete nicht, er schien in Gedanken versunken. Plötzlich murmelte eine leise Stimme:
    Gil-galad war ein Elbenfürst ,
    Die Harfe klagt im Liede noch:
    Von Berg und Meer umfriedet lag
    Sein Reich im Glanz und ohne Joch.
    Sein Schwert war lang, sein Speer war kühn,
    Weithin sein Helm aus Silber schien;
    Und silbern spiegelte sein Schild
    Der Sterne tausendfaches Bild.
    Doch lange schon ritt er davon,
    Weiß keiner, wo der Ritter blieb;
    Sein Stern versank in Düsternis
    In Mordors finsterem Verlies.
    Die anderen wandten sich erstaunt um, denn die Stimme gehörte Sam.
    »Sprich doch weiter!«, sagte Merry.
    »Mehr weiß ich nicht«, stammelte Sam errötend. »Ich habe es von Herrn Bilbo gelernt, als ich ein Junge war. Er pflegte mir solche Sagen zu erzählen, denn er wusste, dass ich immer gern von den Elben hörte. Herr Bilbo war’s auch, der mir Lesen und Schreiben beibrachte. Er war mächtig gelehrt, der liebe alte Herr Bilbo. Und er schrieb Gedichte. Was ich eben aufgesagt habe, hat er auch geschrieben.«
    »Er hat es nicht selbst verfasst«, sagte Streicher. »Es gehört zu einem Lied in einer alten Sprache, das Gil-galads Untergang heißt. Bilbo muss es übersetzt haben. Das wusste ich gar nicht.«
    »Und es war noch viel länger«, sagte Sam. »Alles über Mordor. Den Teil habe ich nicht gelernt, dabei fuhr es mir immer kalt über den Rücken. Ich hätte nie gedacht, dass ich selbst einmal den Weg gehen würde.«
    »Nach Mordor gehen!«, rief Pippin. »Ich hoffe doch, dass es dazu nicht kommt!«
    »Sprecht den Namen nicht so laut aus!«, sagte Streicher.
    Es war schon Mittag, als sie zum südlichen Ende des Pfades kamen und vor sich im blassen, klaren Licht der Oktobersonne eine graugrüne Böschung sahen, die wie eine Brücke zum Nordhang des Berges hinaufführte. Sie beschlossen, sich gleich zum Gipfel aufzumachen, solange der Tag noch hell war. Sich zu verbergen war nicht länger möglich, und sie konnten nur hoffen, dass kein Feind oder Späher sie beobachtete. Auf dem Berg sahen sie keine Bewegung. Wenn Gandalf in der Nähe war, so war jedenfalls keine Spur von ihm zu sehen.
    Auf der Westseite der Wetterspitze fanden sie eine geschützte Senke, an deren tiefster Stelle eine schalenförmige Mulde mit grasbewachsenen Wänden war. Dort ließen sie Sam und Pippin mit dem Pony und ihren Rucksäcken und dem sonstigen Gepäck zurück. Die drei anderen gingen weiter. Nach einer halbstündigen, mühseligen Kletterei erreichte Streicher den Berggipfel; Frodo und Merry folgten ihm, müde und außer Atem. Der letzte Hang war steil und felsig gewesen.
    Auf dem Gipfel fanden sie, wie Streicher gesagt hatte, ein weites Rund von altem Mauerwerk, das jetzt verfallen und mit hohem Gras überwuchert war. Doch in der Mitte war ein Hügel aus Schottersteinen aufgeschichtet. Sie waren geschwärzt wie von Feuer. Um sie herum war der Rasen bis auf die Wurzeln niedergebrannt, und überall innerhalb des Kreises war das Gras versengt und verdorrt, als ob die Flammen über den ganzen Berggipfel geschlagen wären; aber nirgends war eine Spur von einem Lebewesen.
    Als sie am Rande der kreisrunden Ruine standen, hatten sie einen weiten Blick nach allen Seiten; zum größten Teil war das Land kahl und eintönig,mit Ausnahme von einigen bewaldeten Streifen im Süden, hinter denen sie hier und dort Wasser schimmern sahen. Unter ihnen an dieser südlichen Seite zog sich wie ein Band die Alte Straße hin, die vom Westen kam und bergauf und bergab lief, bis sie im Osten hinter einem dunklen Landrücken verschwand. Nichts bewegte sich auf ihr. Als sie ihr mit den Augen nach Osten folgten, sahen sie das Gebirge: Die näher gelegenen Vorberge waren braun und düster; hinter ihnen erhoben sich höhere graue Berge, und hinter diesen wiederum sah man hohe weiße Gipfel durch die Wolken schimmern.
    »So, da sind wir«, sagte Merry. »Und es sieht sehr trostlos und wenig einladend aus! Es gibt kein Wasser und keinen Schutz. Und keine Spur von Gandalf. Ich mache ihm keinen Vorwurf, dass er nicht gewartet hat – wenn er überhaupt hier war.«
    »Ich weiß nicht recht«, sagte Streicher und schaute nachdenklich um sich. »Selbst wenn er ein oder zwei Tage nach uns

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