Der Herr der Ringe
gesetzt. Es wird noch heller scheinen, wenn Nacht um dich ist. Möge es dir ein Licht sein an dunklen Orten, wenn alle anderen Lichter ausgehen. Erinnere dich Galadriels und ihres Spiegels!«
Frodo nahm die Phiole, und einen Augenblick lang, während sie zwischenihnen strahlte, sah er Galadriel wieder wie eine Königin, groß und schön, doch nicht länger schreckenerregend. Er verbeugte sich, fand aber keine Worte.
Jetzt erhob sich die Herrin, und Celeborn geleitete die Gäste wieder zu der Schiffslände. Ein gelber Mittag lag nun auf der grünen Landzunge, und das Wasser glitzerte silbern. Alles war bereit. Die Gefährten nahmen ihre Plätze in den Booten wie vorher ein. Mit langen grauen Stangen stießen die Elben sie in die Strömung des Flusses hinaus und riefen ihnen Lebewohl zu, während die plätschernden Wellen sie langsam davontrugen. Sie saßen ganz still und sprachen nicht. Auf dem grünen Ufer nahe der Spitze der Landzunge stand Frau Galadriel allein und schweigend. Als sie vorbeifuhren, wandten sie sich zu ihr um und sahen zu, wie sie langsam von ihnen forttrieb. Denn so schien es ihnen: Lórien verschwand hinter ihnen wie ein leuchtendes Schiff, dessen Masten verzauberte Bäume waren und das zu vergessenen Ufern segelte, während sie hilflos am Rande der grauen und blattlosen Welt saßen.
Während sie noch schauten, floss der Silberlauf hinaus in die Strömungen des Großen Stroms, und ihre Boote drehten sich und begannen nach Süden zu eilen. Bald war die weiße Gestalt der Herrin klein und fern. Sie schimmerte wie ein Glasfenster auf einem fernen Berg in der untergehenden Sonne oder wie ein See, von einem Berg aus gesehen: ein in den Schoß des Landes gefallener Kristall. Dann schien es Frodo, als habe sie ihre Arme zu einem letzten Abschiedsgruß erhoben, und fern, doch ganz deutlich trug der Wind den Klang ihrer Stimme herüber, als sie sang. Doch jetzt sang sie in der alten Sprache der Elben jenseits der See, und er verstand die Worte nicht: Schön war die Musik, aber sie tröstete ihn nicht.
Indes blieben sie, wie es die Art von Elbenworten ist, in seinem Gedächtnis haften, und viel später deutete er sie, so gut er konnte: Die Sprache war die der Elbenlieder, und sie berichtete von Dingen, die in Mittelerde wenig bekannt waren.
Ai! laurië lantar lassi súrínen,
Yéni únótimë ve rámar aldaron!
Yéni ve lintë yuldar avánier
mi oromardi lisse-miruvóreva
Andúnë pella, Vardo tellumar
nu luini yassen tintilar i eleni
ómaryo airetári-lírinen.
Sí man i yulma nin enquantuva?
An sí Tintallë Varda Oiolossëo
ve fanyar máryat Elentári ortanë
ar ilyë tier undulávë lumbulë;
ar sindanóriello caita mornië
i falmalinnar imbë met, ar hísië
untúpa Calaciryo míri oialë.
Si vanwa ná, Rómello vanwa, Valimar!
Namárië! Nai hiruvalyë Valimar.
Nai elyë hiruva. Namárië!
»Ah! wie Gold fallen die Blätter im Wind, lange Jahre zahllos wie die Schwingen der Bäume! Die langen Jahre sind vergangen wie rasche Schlucke des süßen Mets in hohen Hallen jenseits des Westens unter den blauen Gewölben von Varda, worin die Sterne zittern beim Gesang ihrer Stimme, heilig und königlich. Wer nun soll den Becher für mich füllen? Denn nun hat die Entzünderin, Varda, die Königin der Sterne vom Berg Immerweiß, ihre Hände wie Wolken gehoben, und alle Pfade sind tief im Schatten versunken: Und aus einem grauen Land kommend, liegt Dunkelheit auf den schäumenden Wogen zwischen uns, und Nebel deckt die Edelsteine von Calacirya auf immerdar. Verloren nun, verloren für jene aus dem Osten ist Valimar! Lebe wohl! Vielleicht wirst du Valimar finden. Ja, vielleicht wirst du es finden. Lebe wohl!« Varda ist der Name jener Herrin, die die Elben in diesen Landen der Verbannung Elbereth nennen.
Plötzlich zog sich der Fluss um eine Biegung, die Ufer an beiden Seiten wurden steiler, und das Licht von Lórien war verborgen. Niemals sah Frodo das schöne Land wieder.
Die Reisegefährten wandten ihr Gesicht nun ihrem Ziel zu; die Sonne stand vor ihnen, und ihre Augen waren geblendet, denn sie standen alle voll Tränen. Gimli weinte ganz offen.
»Ich habe zum letzten Mal das gesehen, was am schönsten war«, sagte er zu Legolas, seinem Gefährten. »Von nun an werde ich nichts schön nennen, es sei denn ihr Geschenk.« Er legte die Hand auf die Brust.
»Sag mir, Legolas, warum bin ich mitgegangen auf diese Reise? Nicht ahnte ich, worin die größte Gefahr lag! Wahr hat Elrond
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