Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Herr der Tränen

Der Herr der Tränen

Titel: Der Herr der Tränen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Bowring
Vom Netzwerk:
weiche Betten, da sie beide in ihnen gelegen hatten, als die Zeit erstarrt war. Yalenna hatte vorgeschlagen, sich Rostigans Bett zu borgen, aber er machte sich zu große Sorgen darum, was geschehen würde, wenn die Zeit wieder einsetzte und Tarzi erwachte, um sie an seiner Stelle dort vorzufinden. Sein Gegenangebot war es gewesen, im Raum zu bleiben und über sie beide zu wachen, während sie schliefen, sodass er sie wecken konnte, wenn die Welt ihren normalen Gang fortsetzte. Aber irgendwie hatte ihr das nicht recht gefallen. Nicht dass sie ein großes Bedürfnis gehabt hätte zu schlafen, es sei denn, als eine Möglichkeit, der Langeweile zu entkommen. Sie verbrannten kaum Energie und wurden beide tatsächlich extrem rastlos.
    »Vielleicht sollten wir ein Wettrennen veranstalten«, hatte sie irgendwann vorgeschlagen, »rund um den Platz? Oder vom Dach der Burg bis in den Keller?«
    Er hatte mit einem kläglichen Lächeln reagiert. Nicht der Typ für frivole Späße, so schien es, selbst angesichts solch endlos scheinender Monotonie.
    Sie hatten viele Gespräche geführt, über viele Dinge. Darüber, was mit der Großen Magie geschah, über den Schaden, den Despirrow gewiss mit der langen Nutzung seiner Macht anrichtete, darüber, was mit Loppolo geschehen sollte.
    »Es ist nur eine potenzielle Gefahr«, hatte Yalenna bemerkt. »Wir wissen nicht mit Bestimmtheit, dass Loppolo handeln wird.«
    »Kein Grund für uns, es nicht zu tun«, hatte Rostigan geantwortet.
    »Ich weiß nicht, ob wir Braston davon erzählen sollten. Er wird Vergeltung verlangen.«
    »Vergeltung für Vergeltung?«
    »Er kennt keine Gerechtigkeit, wenn es ihn selbst betrifft. Er weigert sich einzusehen, dass er Teil des Problems ist. Wer weiß – vielleicht wird Loppolo sogar von einem Bedürfnis der Großen Magie getrieben, die Dinge wieder ins rechte Lot zu bringen?«
    »Braston hat tatsächlich ein Heer unter Fahnen, das wir benötigen werden, sollte Forger gegen uns marschieren, oder ein Heer der Entflochtenen. Gewiss hat die Große Magie dagegen nichts einzuwenden.«
    »Er hätte es in jedem Fall aufgestellt. Er braucht nicht König zu sein.«
    »Nun denn, was schlägst du vor?«
    »Ich werde mit Loppolo reden. Versuchen … ich weiß nicht. Die Wogen zu glätten.«
    »Es ist ein großer Klotz, um ihn zu glätten«, hatte Rostigan düster erwidert.
    Jetzt erreichten sie das Burgdach, und sofort konnte Yalenna erkennen, dass sich etwas verändert hatte. Sie hob den Blick gen Himmel, und was sie sah, ließ ihr den Atem stocken.
    Rostigan folgte ihrem Blick.
    »Huh«, murmelte er.
    Wie durch eine von Stern zu Stern verlaufende, lange Fissur drang Licht, und der Mond, der seit dem Zeitstillstand hell von seinem festen Platz am Himmel gestrahlt hatte, war trüber geworden, beinahe so, als verblasse er, um zu verschwinden.
    »Die Welt steht unter großem Druck«, sagte sie leise und von Grauen erfüllt. »Sie weiß, dass die Nacht hätte vorüber sein sollen.«
    Rostigan seufzte. »Für so lange Zeit hatte ich meine Kräfte in meinem Inneren verschlossen.«
    Der Blick, den er ihr zuwarf, machte klar, dass er nicht nur Despirrows Gegenwart bedauerte.
    »Du bist nicht der Torhüter«, entgegnete sie ungehalten. »Rostigans Aorn gehört nicht Rostigan.«
    »Nein«, antwortete er und wandte sich ab. »Das tut es nicht.«
    Siebzehn.
    Es waren die Flammen im Kamin, die Anzahl deutlicher Spitzen, die in den Schornstein emporgriffen.
    Mergan ließ sich auf irgendjemandes Schoß sinken. Es war so ungerecht – er hatte nur einige Tage gehabt, einen quälenden Vorgeschmack an der Spitze seiner Zunge, vom Leben nach seinem langen Winter. Dies war schlimmer als das Grab, manchmal, vielleicht … diese teilnahmslosen Gefährten bei sich zu haben, Essen auf dem Tisch zu sehen, das er nicht berühren konnte.
    Genug, um einen Mann in den Wahnsinn zu treiben, dachte er und brabbelte vor sich hin.
    Hässliche Gedanken erhoben ihre hässlichen Köpfe, und sein Blick wanderte über scharfe Gegenstände – ein Schwert, das in jemandes Gürtel steckte, die Kante der Theke, selbst das baumelnde Tuch, das der Gastwirt benutzt hatte, um ein Glas zu polieren. Wenn er dagegenrannte, gelang es ihm vielleicht eher, sich den Schädel zu spalten, als er es an der flachen Wand im Grab vermocht hatte.
    Und was dann? Was, wenn diese anderen endlich erwachen, um mich vorzufinden, wie ich scheinbar tot daliege. Wenn sie mich begraben, werde ich die Augen in der Erde öffnen,

Weitere Kostenlose Bücher