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Der Herr der Tränen

Der Herr der Tränen

Titel: Der Herr der Tränen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Bowring
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Gnade«, sagte Braston, stach dem Mann die Klinge durch die Brust und heftete ihn an die Wand. Er hatte sein Ziel genau getroffen, und bald hörten die Bewegungen auf. Braston zog die Klinge zurück und ließ den Toten auf den Boden sinken. Er drehte sich um und verließ die Zelle. Alle wichen ihm aus, und die Damen beäugten nervös das tropfende Schwert.
    »Sorgt für ein anständiges Begräbnis«, trug er dem Kerkermeister auf.
    »Hast du einen Augenblick Zeit für mich?«, fragte Yalenna.
    Er nickte, und sie traten ein wenig beiseite. »Tut mir leid, weil du das mit ansehen musstest. Gerechtigkeit ist nicht immer …«
    »Bitte, Braston«, unterbrach sie ihn, »ich bin keiner deiner gezierten Speichellecker. Was mich jedoch aufregt, ist diese Zeitverschwendung.«
    Braston runzelte die Stirn. »Manche Menschen stecken hier schon viel zu lange drin, auf die eine oder die andere Weise. Wie kann ich von anderen Gefolgschaft erwarten, wenn ich in meinem eigenen Haus keine Ordnung halte?«
    »Ich kann mir kaum vorstellen, dass die Große Magie uns zurückgeholt hat, damit du ein paar Taugenichtsen Seelenruhe schenkst.«
    Und es ist nicht dein Haus, fügte sie für sich selbst hinzu.
    »Aber ich finde keine Ruhe«, erwiderte Braston, »wenn dieser Ort ständig in meinem Hinterkopf brummt. Er ist so nah an der Burg. So viele ungeordnete Fäden verlangen meine Aufmerksamkeit.«
    Sie zog eine Augenbraue hoch. »Das glaube ich nicht. Wir sind immer von Ungerechtigkeit umgeben, und du kannst sie ausblenden, wenn du willst. Wir haben Wichtigeres …«
    »Ich sehe wohl ein, dass wir reden müssen. Heute Abend? Nachdem ich meine Arbeit erledigt habe?«
    Er wandte sich um und winkte den Hauptmann zu sich, der sie hergeführt hatte.
    »Du!«, rief er und zeigte mit der Klinge auf ihn. »Hauptmann Jandryn, nicht wahr?«
    »Ja, Herr.«
    »Begleite Yalenna zur Burg. Sie soll angemessene Gemächer bekommen, und man erfülle ihr alle Wünsche.«
    »Ich wünsche mir nur eins«, zischte Yalenna. »Wir müssen herausfinden, wozu wir eigentlich wieder hier sind.«
    Braston tat so, als hätte er sie nicht gehört.
    Durch das Burgtor betrat sie eine weiße, prächtige Halle aus blauem Stein, und ihre Verärgerung wuchs noch. Sie wollte nicht in einem Zimmer sitzen und abwarten, bis Braston entschied, dass er mit ihr sprechen wollte. Trotzdem brauchte sie ihn – oder, da »brauchen« vielleicht zu hoch gegriffen war, wollte seine Hilfe.
    »Was ist mit Loppolo?«, fragte sie Hauptmann Jandryn unvermittelt.
    »Verzeihung?«
    Sie konnte ihm nicht vorwerfen, dass er ihren Gedankensprüngen nicht zu folgen vermochte.
    »Was ist mit dem rechtmäßigen König von Althala passiert?«
    Er blinzelte. Offensichtlich war ihm ihre Wortwahl unangenehm.
    »Also, er … vermutlich ist er im Thronsaal.«
    »Oh? Sitzt er noch auf dem Thron?«
    »Nein. Äh.« Der Hauptmann sah sich um, doch es gab niemanden, der mithören konnte. »In Wahrheit gibt es einige Verwirrung.«
    »Daran hege ich keinen Zweifel. Ob du mich zu ihm bringen kannst?«
    Unsicher nickte der Hauptmann. »Wenn du es wünschst.«
    Sie gingen durch die Halle, und Yalenna beachtete das Getuschel der Menschen nicht. Es hatte wohl nicht lange gedauert, bis sich die Nachricht von ihrer Ankunft verbreitet hatte.
    Dann erreichten sie den riesigen Thronsaal, der mit blauem Marmor ausgelegt war. Eine Linie aus karoförmigen Kacheln bildete einen Weg, der sich um eine Reihe von Zimmerbrunnen bis zum fernen Podest mit dem Thron wand. Künstliche Bäche, in denen sich bunte Fische tummelten, flossen hier und dort und funkelten im Licht, das durch die hohen Fenster hereinfiel. Kleine Vögel flogen herum, deren Zwitschern von den Wänden widerhallte, und Diener versorgten die Höflinge. Der Ort war so luxuriös und prachtvoll, wie Yalenna ihn in Erinnerung hatte.
    »Hier entlang, Herrin«, sagte Jandryn. Überall wurde sie von den Menschen angestarrt, und mehr als einer zeigte mit dem Finger auf sie. Vorn hatte sich eine größere Gruppe um einen der Brunnen geschart, ganz Federn und Kopfputz und Rüschenmäntel und Seidenpantoffeln. In der Mitte lag ein Mann faul auf einer Bank, aß ein Stück Kuchen und strahlte Langeweile aus. Als ihm jemand etwas zuflüsterte, sah er in ihre Richtung und erhob sich rasch.
    »Loppolo, Herr«, sagte Jandryn und verneigte sich. »Darf ich dir Yalenna vorstellen?«
    Loppolo verneigte sich so tief, dass ihm der braune Pferdeschwanz über den Kopf fiel. Er war ein angenehm

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