Der Herr ist kein Hirte - Wie Religion die Welt vergiftet
»Erhebung« noch viele assimilierten Juden umgebracht, gewaltsam beschnitten oder beides, und den Frauen, die mit der neuen hellenischen Rechtsprechung geliebäugelt hatten, erging es noch schlimmer. Die Römer zogen am Ende die gewalttätigen und dogmatischen Makkabäer den weniger militanten und fanatischen Juden vor, deren Togen im glitzernden Licht des Mittelmeers geschimmert hatten. Damit war dem brutalen Zusammenstoß zwischen dem ultraorthodoxen Sanhedrin und dem Kaiserreich die Bühne bereitet. Dieser düstere Dualismus mündete schließlich ins Christentum – eine weitere jüdische Häresie – und von dort aus unvermeidlich in die Geburt des Islam. Das alles hätte uns erspart werden können.
Sicher, es hätte auch so genügend Torheit und Egozentrik gegeben. Unsere Spezies ist von Natur aus nicht sehr lernfähig. Doch die Wirkung Athens auf die Geschichte und die Menschheit wäre kontinuierlicher verlaufen, das jüdische Volk hätte statt eines kargen Monotheismus die Philosophie verbreiten können, und die alten Schulen samt ihrer Weisheit würden für uns heute nicht der Vorgeschichte angehören. Ich saß einmal im Knesset-Büro des verstorbenen Rabbi Meir Kahane, eines bösartigen Rassisten und Demagogen, der den verrückten Dr. Baruch Goldstein und andere gewalttätige israelische Siedler zu seinen Unterstützern zählte. Kahanes Kampagne gegen Mischehen und für die Vertreibung aller Nichtjuden aus Palästina hatte ihm die Verachtung vieler Israelis und Juden in der Diaspora eingebracht, die sein Programm mit den Nürnberger Gesetzen in Deutschland verglichen. Kahane zog ein wenig über diese Ansichten her, sagte, jeder Araber dürfe bleiben, wenn er zum Judaismus übertrete und einen strengen Halacha-Test ablege, wurde es aber bald müde und tat seine jüdischen Gegner als »hellenisiertes« Gesindel ab. Und rein formal hatte er recht: Seine Bigotterie hatte wenig mit der »Rasse« und viel mit dem »Glauben« zu tun. Beim Anblick dieses schmierigen Barbaren versetzte es mir einen wahren Stich, als ich an die Welt des Lichtes und der Farben dachte, die vor langer Zeit von den schwarz-weißen Albträumen seiner finsteren und selbstgerechten Vorfahren hinweggefegt wurde. Der Gestank des Calvin, des Torquemada und des bin Laden stieg von diesem schmuddeligen, buckligen Menschen auf, dessen Schläger der Kach-Partei auf den Straßen patrouillierten, immer auf der Suche nach einer Verletzung des Sabbat und unerlaubten sexuellen Beziehungen. Um es mit dem Bild der Burgess Shale auszudrücken: Hier war ein giftiger Zweig, den man schon vor langer Zeit hätte kappen oder absterben lassen sollen, ehe er mit seiner miserablen DNS an anderer Stelle gesundes Wachstum hemmen konnte. Und doch leben wir noch heute in seinem verderblichen, tödlichen Schatten. Und kleine jüdische Kinder feiern Chanukka, um sich nicht von den zweifelhaften Mythen rund um Bethlehem ausgeschlossen zu fühlen, die mittlerweile in der düsteren Propaganda aus Mekka und Medina schrille Konkurrenz bekommen haben.
Kapitel neunzehn
Fazit: Die Notwendigkeit einer neuen Aufklärung
»Der Messias wird nicht kommen – er ruft nicht einmal an!«
Israelischer Hit
Der große Lessing drückte sich in seinem polemischen Schlagabtausch mit dem fundamentalistischen Prediger Goeze noch sehr milde aus. Und mit geziemender Bescheidenheit ließ er es so aussehen, als habe er in der Sache auch nur theoretisch eine Wahl. Doch dem ist nicht so: Wir haben nicht die Möglichkeit, zwischen absoluter Wahrheit und Glauben zu »wählen«. Uns bleibt nur, wenn jemand behauptet, die Offenbarung sei wahr, darauf hinzuweisen, dass er sich täuscht und versucht, auch andere zu täuschen – oder einzuschüchtern. Für den Geist ist es freilich in jedem Falle besser und gesünder, den Pfad des Skeptizismus und der Forschung zu »wählen«, weil wir nur, wenn wir diese Fähigkeiten ständig einüben, überhaupt etwas erreichen können. Wohingegen Religionen, wie es Simon Blackburn in seiner Studie zu Platons Der Staat so geistreich formulierte, lediglich »fossilierte Philosophien« sind, eine Art Philosophie ohne Fragen. [FUSSNOTE81]
Wenn man Dogma und Glaube dem Zweifel und dem Experiment vorzieht, so ist das nichts anderes, als wenn man die reifenden Weintrauben wegwirft und sich stattdessen auf die süße Billigbrause stürzt. Thomas von Aquin verfasste einmal eine Schrift über die Dreifaltigkeit und legte sie, weil er sie in aller Bescheidenheit als
Weitere Kostenlose Bücher