Der Hinterhalt
drehte sich wieder zu deinem Vater um. »Komm schon, Joe«, sagte der Mann mit gespielter Enttäuschung, »dachtest du tatsächlich, wir würden niemanden an der Hintertür postieren?«
»Mir war nicht klar, dass du es bist, Jared«, erwiderte dein Vater. »Wenn ich gewusst hätte, dass du es bist, wäre mir klar gewesen, dass du an alles denken würdest. Nicht jeder ist so penibel wie du.« Dein Vater klang resigniert. Ich versuchte vergeblich, Hoffnung aus seiner Stimme herauszuhören. Dann sah ich den Mann an, der deinem Vater am Tisch gegenübersaß. Ich kannte den Namen Jared. Der älteste Freund deines Vaters hieß so. Dein Vater hatte mir erzählt, dass Jared und er zusammen aufgewachsen sind. Ich wünschte, das hätte mir Hoffnung gemacht. Dem war jedoch nicht so. Nicht nach dem Blick, den Jared dir zugeworfen hatte. Irgendetwas stimmte nicht. Irgendetwas stimmte ganz und gar nicht.
»Da ist also die Ursache all deiner Probleme«, sagte Jared zu deinem Vater und deutete auf dich wie ein Zeuge, der im Gerichtssaal einen Mörder identifiziert. Er wirkte beinahe lächerlich, als er so auf ein Baby zeigte.
»Er heißt Christopher«, sagte dein Vater. »Christopher Jude.« Mir war klar, was dein Vater versuchte. Er versuchte, zu seinem alten Freund durchzudringen.
»Es ist mir völlig egal, wie er heißt, Joe. Und dir sollte es auch egal sein.« Jareds Worte klangen monoton und gefühllos. Er griff in den Bund seiner Hose und zog eine matt silberfarbene Pistole heraus, die er vor sich auf den Couchtisch legte. Als er wieder deinen Vater ansah, war der Hass vollständig aus seinem Blick verschwunden. An seine Stelle war etwas anderes getreten, etwas wie Mitleid. »Er ist einer von ihnen, Joe.« Jared sprach beinahe im Flüsterton. Laut genug, damit ich ihn verstehen konnte, aber leise genug, damit deinem Vater bewusst war, dass die Worte allein für ihn bestimmt waren. Jared versuchte ebenfalls, zu deinem Vater durchzudringen.
»Er ist mein Sohn, Jared«, sagte dein Vater. Selbst in diesem Moment, umgeben von fremden Männern mit Pistolen, verliehen mir diese Worte Kraft, wenn auch nur für kurze Zeit. Jared nickte. Ich dachte, er würde deinem Vater womöglich zustimmen.
»Mir war immer klar, dass einer von euch beiden irgendwann in Schwierigkeiten geraten würde«, sagte Jared und schüttelte den Kopf. »Ich dachte nur immer, dass Michael derjenige sein würde.« Er lachte kurz und hörte ebenso plötzlich wieder auf, wie er angefangen hatte. »Es ist noch nicht zu spät für dich, Joe. Dafür habe ich gesorgt. Sie haben dich noch nicht ganz abgeschrieben. Gib mir den Jungen. Gib mir den Jungen, dann kannst du wieder zu uns zurückkehren.«
»Das kann ich nicht tun, Jared.« Jetzt flüsterte dein Vater ebenfalls.
Jared beugte sich zu deinem Vater vor und stützte die Ellbogen auf den Knien auf. »Ich hatte wirklich geglaubt, du würdest zur Vernunft kommen, sobald der Junge auf der Welt ist – sobald du ihn tatsächlich siehst. Ich dachte, du würdest zu uns zurückkehren, sobald dir bewusst wird, was dein Kind tatsächlich ist.« Jared kaute auf seiner Unterlippe. »Deshalb haben wir gewartet, Joe. Deshalb habe ich dich die ganze Zeit über beschützt.« Ich bekam eine Gänsehaut, als ich diese Worte hörte, bevor ich überhaupt begriff, was sie bedeuteten. »Ich dachte, du würdest zur Vernunft kommen, wenn ich dir Zeit gebe.«
»Dann hast du mich also in Charleston gerettet?«
»Glaubst du etwa, du wärst ohne meine Hilfe so weit gekommen, Joe?«, erwiderte Jared. Es hatte beinahe den Anschein, als würde er gleich wieder anfangen zu lachen, was er jedoch nicht tat. »Komm schon, Joe!« Jared sprach lauter. Er ballte die Hand zur Faust und schlug sich damit aufs Knie. »Ist dir eigentlich bewusst, was ich riskiert habe, um dich zu retten? Wir haben in Charleston drei von ihren Leuten erledigt, um dich zu schützen. Mir wurde vorgeworfen, ich hätte dich als Köder benutzt, ich hätte dich benutzt, um sie anzulocken. Weißt du, welche Strafe darauf steht, Joe? Ich habe alles für dich riskiert.« Ich war mir nicht sicher, wer verzweifelter klang, Jared oder dein Vater. »Du bist mein bester Freund. Ich habe mir immer wieder gesagt: ›Gib ihm etwas Zeit, dann kommt er wieder zu sich.‹« Langsam fügte sich in meinem Kopf alles zusammen. Diese Leute in unserem Haus waren der Grund, weshalb wir es geschafft hatten, aus Charleston zu verschwinden. Sie hatten uns geschützt, um später wiederkommen und
Weitere Kostenlose Bücher