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Der Hochwald

Der Hochwald

Titel: Der Hochwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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- Alles fiel in ein schon aufgeregtes empfangendes Gemüth. Clarissa's edles Angesicht lag liebreich ruhevoll dem Himmel offen, der zwischen den Aesten festlich wallend sein Blau hereinhängen ließ, und erquicklich seine Luft um ihre lieben sich färbenden Wangen goß; - - wie ein schöner Gedanke Gottes senkte sich gemach die Weite des Waldes in ihre Seele, die dessen unbewußt in einem stillen und schönen und sanften Fühlen dahinwogte. Selbst der alte Freiherr empfand sich in der freien Luft wie gestählt, und von einem frischen Hauche seiner Jugend angeweht.
    So ritten sie Alle vorwärts, und wenn auch die Bäume und Gesträuche oft stellenweise sich zusammendrängten, und sich ihnen entgegenstellten, so fanden sie doch immer wieder einen Ausweg, der sie vorwärts geleitete, tiefer und tiefer in das Thal hinein, das die Wiege des ihnen begegnenden Baches war.
    Der Vater, wo es die Stellen zuließen, ritt gerne an die Seite der Mädchen und sprach und kosete mancherlei mit ihnen. Felix war bald vorne bei den Schwestern, bald hinten bei dem nachdenklichen Reiter.
    Endlich wurde der Boden so ansteigend, und der Waldbestand so dichte, daß das Weiterdringen immer beschwerlicher ward, bis sie zuletzt zu einem Felsen gelangten, der jede weitere Aussicht zu verstellen schien: aber eben dieser Felsen war auch das glücklich erreichte Ziel, das sie vor der Hand mit ihrer Wanderung anstrebten; auch war der Gegenstand, den sie hier antreffen sollten, bereits allen Augen sichtbar. Ein alter Mann saß in der Nachmittagssonne an dem glänzenden Gesteine und hatte den Kopf in seine Hände gestützt, als schlummere er, oder denke nach. Zu seiner Seite lag ein Feuergewehr und ein langer Waldstock. Die Mädchen stutzten, und eine heftige Furcht schien Johannen zu fassen, obwohl sie wußte, daß man einen Führer erwarte. Bei dem Annähern der Reitergesellschaft, insbesondere der zögernden Mädchen, stand er auf und entblößte sein Haupt, indem er den breiten beschattenden Hut von demselben herabzog - schneeweiße Haare wallten den Blicken der Mädchen entgegen, zurückweichend von einer Stirne, die hoch und schön gewölbt, aber tiefbraun und von den Linien des Hochalters gefurcht war - zwei große treuherzige Augen sahen zu ihnen hinauf, in ihrer Schwärze seltsam abstechend gegen die zwei schneeweißen Bogen, die sich über ihnen spannten. - Auf den harten Wangen lag Sonnenbrand, Alter und Gesundheit.
    Von aller Furcht erlöset, erwiederte Johanna zierlich seinen Gruß, und bei dem zweiten und dritten Blicke mußte sie ihm schon gut sein - eine solche eherne Einfalt und Güte prägte sich in der ganzen Gestalt aus, wie er dastand und sie Alle mit den klugen Augen ansah.
    Man war nach und nach abgestiegen, und der alte Freiherr trat auf den Erwartenden zu, schüttelte ihm die Hand, die der Andere ohne Zögern dargereicht hatte, und sagte freudig: »Gott grüße dich, Gregor, Gott grüße dich tausendmal; so haben wir uns doch noch einmal in diesem Leben gesehen - aber, Knabe,
alt
sind wir geworden, seit wir in dem Jungwalde zum letzten Male miteinander jagten - alt, alt -.«
    Freilich waren sie alt geworden, das sahen die jungen Begleiter alle, die seitwärts standen, und sämmtlich ihre Blicke auf die zwei Greise hefteten. - Es war ein schöner Anblick, wie sie dastanden, Beide so ungeheuer verschieden und Beide doch so gleich. Der Freiherr, wie gewöhnlich, im schwarzsammtnen Kleide, der Andere in dem gröbsten grauen Tuche; der Freiherr, obwohl gebräunten und gefurchten Antlitzes, doch fast mädchenhaft weiß gegen die dunkle Sonnenfarbe des Andern, ein Stubenbewohner gegen den Genossen des Mittagsbrandes und des Sturmes; der Eine ein Sohn der Waffen, die er einst geführt mit Grazie und Kraft, jetzt zum Danke von ihnen geschmückt; der Andere ein Bruder des Felsens neben ihm. Siebenzig Jahre sind Regen und Sonnenschein vergeblich auf Beide gefallen, sie sind Beide nur ein wenig verwittert - der eine mit dem Anstande der Säle, der Andere mit dem der Natur; aber schön sind sie Beide, und ehrwürdig Beide, Beide der Abglanz einer großgearteten Seele, und das Haarsilber liegt mit all der Unschuld des Alters auf ihrem Haupte.
    »Ja,« erwiederte Gregor, »wir mögen wohl um eine Handvoll Jahre gealtert sein. Herr, - eure braunen Haare sind seitdem auch alle ganz weiß geworden. Ich bin sehr erfreut, euch noch einmal zu sehen, ihr waret damals ein freundlicher zugänglicher Herr.«
    »Und du ein lustiger, goldtreuer Jäger.

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