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Der Hochwald

Der Hochwald

Titel: Der Hochwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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einen ungemein großen Baum dieser Art auf einer sonnigen Waldblöße stehen, und alle seine Blätter standen stille; sie waren so ruhig, so grauenhaft unbeweglich, als wären sie in die Luft eingemauert, und sie selber zu festem Glase erstarrt - es war auch im ganzen Walde kein Lüftchen zu spüren und keine Vogelstimme zu hören, nur das Gesumme der Waldfliegen ging um die sonnenheißen Baumstämme herum. Da sah ich mir denn verwundert den Baum an, und wie er mir seine glatten Blätter, wie Herzen entgegenstreckte, auf den dünnen, langen, schwanken Stielen, so kam mir mit eins ein anderer Gedanke: wenn alle Bäume, dacht' ich, sich vor dem Herrn geneigt haben, so that es gewiß auch dieser, und seine Brüder; denn alle sind seine Geschöpfe, und in den Gewächsen der Erde ist kein Trotz und Laster, wie in dem Menschen, sondern sie folgen einfältig den Gesetzen des Herrn, und gedeihen nach ihnen zu Blüthe und Frucht - darum ist nicht Strafe und Lohn für sie, sondern sie sind von ihm alle geliebt - und das Zittern der Espe kommt gewiß nur von den gar langen und feinen Stielen, auf die sie ihre Blätter, wie Täfelchen stellt, daß sie jeder Hauch lüftet und wendet, worauf sie ausweichen und sich drehen, um die alte Stellung wieder zu gewinnen. Und so ist es auch; denn oft hab ich nachher noch ganz ruhige Espen an windstillen Tagen angetroffen, und darum an andern, wo sie zitterten, ihrem Geplauder mit Vorliebe zugehört, weil ich es gut zu machen hatte, daß ich einstens so schlecht von ihnen gedacht. Darum ist es aber auch ein sehr feierlicher Augenblick, wenn selbst sie, die so leichtfertige, schweigt; es geschieht meistens vor einem Gewitter, wenn der Wald schon harret auf die Stimme Gottes, welche kommen und ihnen Nahrung herabschütten wird. - Sehet nur, liebe Jungfrauen, wie schmal der Fuß ist, womit der Stiel am Holze, und das Blatt am Stiele steht, und wie zäh und drehbar dieser ist - - sonst ist es ein sehr schönes Blatt.«
    Bei diesen letzten Worten hatte er einen Zweig von einer der Espen gerissen und ihn Clarissen hingereicht.
    »Es ist ein Zeichen, daß wir eine schöne Nacht bekommen,« fuhr er fort, »da diese Zweige so munter sind; vor dem Nachtregen werden sie gern ruhiger.«
    »Kommen wir denn in die Nacht?« fragte Johanna.
    »Wenn es auch geschähe,« antwortete der Jäger, »so steht ja schon dort am Himmel der aufnehmende Mond, der so viel Licht gibt, daß gute und achtsame Augen genug haben. Aber ich denke, daß wir ihn gar nicht mehr brauchen werden.«
    Das Laubholz wurde seltener und die ernste Tanne und Fichte zog ständeweis gegen die Bergbreiten - der rothe Sterbeglanz des Tages auf dem jenseitigen Joche ging langsam gegen die Bergschneide empor, und aus dem Thale hoben sich die blauen Abendschatten - der Halbmond wurde jede Minute sichtlich glänzender an seinem bereits stahlblauen Osthimmel. Der Freiherr drängte sich durch Farrenkraut und Schlinggewächse, um an der Seite der Sänfte zu bleiben.
    Felix war mit dem Ritter in tiefem Gespräche begriffen, und ziemlich weit hinten geblieben. Der Bach war stellenweise gar nicht mehr sichtbar und hörbar, weil er unter übergewälzten Felsenstücken hinfloß.
    So mochte die Wanderung noch eine halbe Stunde gedauert haben, und eine dichtere Finsterniß blickte schon aus den Tiefen der Fichtenzweige, die sich so nahe drängten, daß sie häufig die Sänfte streiften - da blitzte es sie mit einem Male durch die Bäume, wie glänzendes Silber an. Sie stiegen einen ganz kleinen Hang nieder, und standen an der weit gedehnten Fläche eines flimmernden Wassers, in dessen Schooße bereits das zarte Nachbild des Mondes wie ein blödes Wölklein schwamm. Ein leises Ach des Erstaunens entfuhr den Mädchen, als sie den schönen See erblickten, da sie derlei in dieser Höhe, die sie erstiegen zu haben meinten, gar nicht vermutheten - ein flüchtig Schauern rieselte durch Johanna's Glieder, da dieß ohne Zweifel jener Zaubersee sei, von dem sie gehört hatte. - Die hohen Tannen, die dem Ufer entlang schritten, schienen ihr ordentlich immer größer zu werden, da sie gemach und feierlich den einfärbigen Talar der Abenddämmerung angethan und von ihren Häuptern fallen ließen, wodurch sie massenhafter und somit größer wurden. - Die jenseitige Felsenwand zeichnete sich schwach silbergrau, wie ein zartes Fantasiebild, in die Luft, zweifelhaft, ob sie nicht selbst aus Luft gewoben sei; denn sie schien zu schwanken, und sich nach dem Takte zu neigen,

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