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Der Hochwald

Der Hochwald

Titel: Der Hochwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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aber es waren nur die Wasser, die sich abendlich bewegten.
    Der Vater hieß die Mädchen aussteigen, und mit Freuden verließen sie das enge tragbare Gefängniß. Ein Floß lag am Gestade, und trug ein erhobenes Gerüste mit Sitzen für die Gesellschaft. Man bestieg ihn, und die zwei Sänftenträger, und noch zwei andere Männer, die man bei dem Floße stehend vorgefunden, lenkten das Fahrzeug in den See hinaus, gerade auf die Felsenwand zu. Die Waldmassen traten zurück und verschränkten sich dem Auge nach und nach zu einer hohen dichten schwarzgrünen Mauer, die das Wasser umfängt - die Felsenwand trat näher, und stieg so mauerrecht aus dem See empor, daß man nicht absah, wie zu landen sein werde, da wohl kein handgroß Steinchen dort liegen möge, um darauf stehen zu können: allein zur größten Ueberraschung in diesem Lande der Wunder that sich den Mädchen auch hier wieder eines auf. Wie man der Wand sich näherte, wich sie zurück, und legte ein liebliches Rasenland zwischen sich und den See und auf dem schönen Grün desselben sahen die Mädchen nun auch ein geräumiges hölzernes Haus stehen, nach Art der Gebirgshäuser gebaut - und alle seine Fenster schimmerten sie gastlich silbern an, schwach erglänzend von dem Scheine der weißen aufblühenden Rosenknospe des Mondes.
    Das Reiseziel war erreicht. Weibliche Diener der Mädchen stürzten gegen das Ufer, Hand und Kleider ihrer holden Gebieterinnen küssend, und voll Freude, daß sie endlich gekommen. Das sämmtliche Dienstgesinde, das aus zwei Mägden und drei Knechten bestand, wurde einige Tage vorher mit der größten Mühseligkeit über die Felsenrücken herübergebracht, da man den weiteren, aber leichteren Weg durch den Urwald noch nicht wußte, den Gregor erst für den Freiherrn ausgekundschaftet hatte. Mit freundlichen Worten dankten die Mädchen den Sänftenträgern und Ruderern, und dann, der Freiherr Johannen, der Ritter Clarissen am Arme nehmend, führten sie dieselben die Treppe hinan in eine Art Tafelzimmer, wo für Alle, die Diener und Träger mit eingeschlossen, ein Abendmahl bereitet stand. Nach Beendigung desselben, und tausend Gutenachtwünschen führte der Freiherr mit schmerzlich freudigen Gefühlen seine Töchter in die zwei für sie bestimmten Gemächer. Ein Ruf der Ueberraschung und ein doppeltes Umschlingen der schönen Arme lohnte ihn; denn bis zum Erschrecken ähnlich waren die Zimmer denen, die sie zu Wittinghausen bewohnt hatten. Der Vater küßte Beide auf die Stirne, wünschte ihnen eine friedensreiche gute erste Nacht und ging zur Thür hinaus - die Mägde wurden sogleich entlassen - und nun, als die Thür verriegelt war, gleichsam als hätte ein Hemmniß bisher die Flut gewaltsam zurückgehalten, brach sie vor: die Mädchen stürzten sich in die Arme, Herz an Herz verbergend, ja fast vergrabend in einander, und sich die zarten Siegel der Lippen anpressend, so heiß, so inbrünstig, so schmerzlich süß, wie zwei unglückselig Liebende und fast ebenso trennungslos. - - Also ist es wahr, die Heimath, das gute Vaterhaus ist preisgegeben und verloren, all ihr früher Leben ist abgeschnitten, sie selbst wie Mitspieler in ein buntes Märchen gezogen, alles neu, alles fremd, alles seltsam und dräuend - in dem drohenden Wirrsal kein Halt, als gegenseitig die warmen Lippen, das treue Auge und das klopfende Herz.
    Aber als bei den Mädchen Thränen und Kosen in Ruhe übergegangen, traten sie auf den hölzernen Söller, der vor ihren Fenstern lief, heraus, und blickten noch, ehe sie schlafen gingen, in die kühle beruhigende Nacht. Der See lag zu ihren Füßen, Stücke schwarzer Schatten und glänzenden Himmels unbeweglich haltend, wie erstarrte Schlacken - der Wald dehnte seine Glieder weithin im Nachtschlummer, die feuchten Mondesstrahlen spannen von Berg zu Berg, und in dem Thale, woher die Wanderer gekommen sein mochten, blickte ruhender Nebel auf.
    Gute Nacht, ihr lieben schönen fürchtenden Herzen, gute Nacht!
     
     

3. Waldhaus
     
    Des andern Tages Morgens nahm der Vater, der Bruder und der Ritter Abschied. Der Freiherr erklärte, daß er es für Pflicht halte, zu seinem Schlosse zurückzukehren, um es, falls es nur eine streifende Rotte berührte, gegen selbe zu halten, oder wenn ein Hauptschlachthaufe einträfe, es ehrenvoll und vielleicht vortheilhaft zu übergeben, und dadurch, daß er sich der kriegerischen Ehre der Schweden als Gefangenen überliefere, die Forschung nach andern Bewohnern des Schlosses zu vereiteln,

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