Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Hochwald

Der Hochwald

Titel: Der Hochwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
Vom Netzwerk:
-.«
    »O Gott! ihr wißt mehr, als ihr uns sagen wollet,« rief Johanna angstvoll.
    »Ich habe euch gesagt, Jungfrau, daß ihr möget ohne Sorgen sein - ja ich kenne vielleicht den Mann, obwohl mir seine Anwesenheit unbegreiflich ist - er begeht lauter Dinge, die ohne Ziel und Zweck sind, und strebt nach Unerreichbarem. Er hat manchmal wollen den Sonnenschein auf seinen Hut stecken, und die Abendröthe umarmen; - es regnet viele Tropfen, ehe man Einsicht gewinnt, und Jahre vergehen, ehe man weise wird. Dringt nicht, Kinder, ihr habt keine Gefahr - und wenn ich etwas wüßte, und euch verbergen wollte, so würden meine Zähne verschlossener sein, als die Steinthore des Heidenschatzes, die kein eiserner Balken aufzuzwingen vermag. Schlafet ruhig; - jedes Haar meines Scheitels ist ein Wächter für euch - ich liebe euch, ihr seid gut und unschuldig, und fast so schön als Martha.« - - -
    Ein erkennbares Zucken spielte bei dieser Erinnerung um seinen alten harten Mund, aber sogleich fuhr er fort: »Ich liebe euren Vater, und werde in Zukunft das Plätzchen hier noch mehr lieben, als früher, wenn ich wieder einmal heraufkomme, das Haus längst nicht mehr steht, der Krieg seine Endschaft erreicht, und euer Schloß euch wieder aufgenommen hat. Seid sorgenlos, meine lieben Töchter, und schlafet süß, wie vor vielen Jahren in eurem Kinderbettlein.«
    Die Mädchen sahen gerührt und ängstlich auf ihn, wie sie mit verschlungenen Armen vor ihm standen, und es mochte ihnen fast unheimlich dünken, daß er, an der äußersten Gränze menschlichen Hochalters stehend, dennoch von Planen und Zeiten rede, die weit in die Jahre hinauslagen. Johanna suchte vergeblich ihre aufsteigenden Furchtgedanken zu dämpfen, die sie sich nicht zu sagen getraute.
    »Sehet, da geht der blutrothe Vollmond auf,« begann er wieder, »sehet nur hin auf das düstre holde Licht, wie es am Waldesrand erglimmt, und fast schon sichtbar die langen Schatten über den See streichen - ich hab es hundert und hundertmal gesehen; - aber immer gefällt es mir - ich habe so stets meine eigenen Gedanken gehabt über das Mondlicht - es ist ein wundervolles Licht.«
    »Ein schmerzlich schönes Licht,« sagte Clarissa.
    »Und nirgends seht ihr es so schön, als im Walde,« fuhr Gregor fort; »manche Nacht habe ich es schlummern gesehen über den Forsten, wenn ich auf den Höhen gegangen bin - da glänzte Alles und flimmerte und glitzerte so ruhevoll - daß ich so manche Gedanken hatte über diese Einrichtung, daß Nachts an dem Himmel diese glänzenden Scheiben hingehen - aber zum Nutzen ist es sichtbarlich; denn seht, wenn er so oben steht, mitten über den Wäldern, und weit und breit sein Licht niederrieselt in die Zweige - wie sie da so froh sind im Nachtlichte, und Blätter und Nadeln auseinanderlegen, wie man eine Hand aufmacht, und in der Christnacht, wenn der Herr geboren wird, reden sie mit einander - - - geht schlafen, Kinder, geht schlafen - es droht euch gar keine Gefahr; ich muß hier die Knechte erwarten, daß ich ihnen den Floß hinüberrudere, wenn sie das Zeichen geben. Und ihr,« sagte er zu den dastehenden Mägden, »nehmt das Federthier hinein, und trocknet es sorglich, vielleicht, daß die Schönheit des Gefieders wieder etwas herzustellen ist.«
    »Gute Nacht, Vater,« sagte Clarissa.
    »Gute Nacht, Tochter,« erwiederte der Greis.
    Und somit stiegen die Schwestern die Treppe zu ihrem Gemache hinan, angstvollen und harrenden Herzens, und als sie ihr mäßig Abendmahl verzehrt, sich entkleidet und die Magd entlassen hatten, schlossen sie besorgt doppelt Schloß und Riegel an den Thüren, setzten sich auf
ein
Bette zusammen, und redeten noch Vieles und Manches, sich tröstend und liebversichernd, auch daß sie morgen wieder nach Wittinghausen blicken, und daß sie nie mehr ohne das Fernrohr einen Spaziergang machen wollen. So koseten sie noch lange, bis die rothe Scheibe des Mondes hoch ob dem Erdenrande schwebend, längst zur goldenen geworden, und Johanna am Busen der Schwester wie ein Kind entschlafen war.
    Clarissa ließ sie sanft auf die Kissen gleiten, und suchte auch ihr Lager; - noch hörte sie in ihre beginnenden Träume hinein das Jauchzen der zurückkehrenden Knechte jenseits des See's herüber, und das Plätschern des abfahrenden Gregor's, der sie holte.
    Dann sank tiefe, feste Ruhe über die schönen Augenlieder.
     
     

5. Waldwiese
     
    Des andern Tages stand schon die Sonne am Morgenhimmel, als Clarissa erwachte, und an das Bett

Weitere Kostenlose Bücher