Der Hochwald
Johannens trat, die noch tief schlummerte, und sich ein ganzes Morgenroth auf ihre unschuldigen Wangen geschlafen hatte. Da ging sie leise an das Fenster, das im Morgengold wallte, sah einige Augenblicke auf den Wald, der mit Reif bedeckt war, und Funken warf, und kniete endlich auf ihren Schemel nieder, um ihr Morgengebet zu verrichten. Als sie aufstand, sah sie auch Johannen an ihrem Schemel knien; daher wartete sie ruhig, bis auch diese aufgestanden war, und dann, noch den Abglanz des gläubigen Gebetes in den Augen, grüßten sie sich heiter und freudig, und scherzten fast über ihre gestrige Angst. Man ließ die klopfende Magd herein, und diese berichtete, daß die Knechte erzählt hätten, wie draußen bereits Kriegsvölker ziehen, und daß es über die Wasserscheide oft wie Ameisenzüge gehe, alles gegen die oberen Donauländer. An den Waldrändern ist es so einsam und stille wie immer. Von Wittinghausen wußten sie nichts. Man beschloß, Gregor zu bitten, daß er sie, sobald die Gräser und Gebüsche etwas trocken geworden wären, auf den Blockenfels geleiten möge.
Als sie angekleidet waren, und die hohe Sonne schon Reif und Thau von ihrer Wiese gezogen hatte, wollten sie auf selber ein wenig lustwandeln gehen. Wie sie über die Treppe hinabkamen, fanden sie Gregor, wie er eben lockere Bretter und Balken festnagelte, auch befremdete es sie, daß das äußere Thor an den Pflöcken, das immer ganz und gar offen gestanden, nicht nur eingeklinkt, sondern auch verriegelt war. Gregor ließ sogleich von seinem Geschäfte ab, und zeigte ihnen den getrockneten Geier, dessen Federn er in schöne Ordnung gebracht habe, und von denen er sie bat, sich die schönsten als ein Angedenken ihres Waldlebens auszusuchen; indeß wolle er hineingehen, und sich richten, um sie begleiten zu können. Er ging. Aber anstatt sich Federn auszulesen, standen die Mädchen und sahen sich befremdet an; denn heute war alles neu. Sonst hatte er sie ganz allein auf ihrer Wiese weit und breit bis an das Gerölle gehen lassen, ohne sich weiter zu bekümmern. Susanna, die Magd, die eben dastand, erzählte auch, daß, als sie erfahren, daß nicht Gregor den Geier geschossen, sondern ein anderer Schuß es war, man wisse nicht woher, sie vor Angst fast die ganze Nacht nicht geschlafen, und da sei sie spät nach Mitternacht, als bereits die zurückgekommenen Knechte längst schliefen, durch ein seltsames Geräusch erschreckt worden, als ob ein Schloß raßle - und da sie nun behutsam zum Fenster hinausgesehen, habe sie wirklich gehört, wie das Schloß am äußeren Thore gesperrt werde, und sodann eine Gestalt, die sie für Gregor's hielt, dem Ahornwäldchen zuschritt. Fast eine Stunde verging, ehe die Gestalt wieder kam, aufsperrte, und herein trat, hinter sich sorgsam verriegelnd - es war nun, wie er zum Hause kam, deutlich erkennbar, daß es Gregor sei. Diese Thatsache war nun nicht geeignet, die Unruhe der Mädchen zu vermindern - allein wie Gregor die Thür heraustrat, und sie den schönen Greis ansahen mit der aufrichtigen Stirne, und darunter dem glänzenden dichterischen Augenpaare, so folgten sie ihm willig durch das Thor, das er hinter sich wieder schloß. Keine - wie durch Verabredung - that der neuen auffallenden Vorkehrungen Erwähnung. Er schwieg auch darüber.
Nachmittags, d. h. nach damaliger Sitte schon um zwölf Uhr, stieg man auf den Blockenstein. Zwei bewaffnete Knechte begleiteten sie, der dritte hütete den Floß. Das Rohr wurde befestiget, und rein und klar, wie immer, stand das kleine Nachbild des Vaterhauses darinnen. Wie ein Vorgefühl, als sähen sie es zum letzten Male so, überkam es die Herzen der Mädchen, und es war ihnen, als könnten sie sich gar nicht davon trennen, und als müßten sie den geliebten schönen Vater oder den unschuldigen Knaben Felix auf irgend einem Vorsprunge stehen sehen.
Wahrscheinlich waren es die neuen Anstalten Gregor's, die ihnen dieses Unruhegefühl einflößten.
Endlich, da immer dasselbe längstbekannte und unbelebte Bild im Glase stand, und nach tausend Grüßen, die laut und heimlich hinübergesendet wurden, nahm man das Rohr ab, und trat den Rückweg an. Zu Hause wählten sie sich noch einige Federn des Geiers, und begaben sich wieder in ihre Zimmer.
Kein einziger Vorfall geschah diesen und die folgenden Tage, außer daß man wieder einmal wollte bemerkt haben, daß Gregor in der Nacht das Haus verlassen habe: aber eine gewisse Schwüle und Angst lag über dem Thale und den Herzen,
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