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Der Hügel des Windes

Der Hügel des Windes

Titel: Der Hügel des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmine Abate
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Schnäbelchen bis zum Abend, mir brummt der Kopf von ihrem Gezeter, und ich weiß nicht, ob sie vor Freude oder vor Schmerz schreit, bis sie unter dem Dach der Hütte verschwindet, wo sie ihr Nest hat.«
    »Unglaublich! Seit meiner Kindheit im Trentin bewege ich mich unter Schwalben-Himmeln. Und doch habe ich noch nie eine Albino-Schwalbe gesehen, schon gar nicht eine so schöne wie diese.« Und dann, im Begeisterungstaumel, sprach er einen Satz aus, den Alberto Arcuri seiner Familie wiederholen würde, als sei er von ihm, und den auch mein Vater viele Jahre später übernehmen und sich mit bitterem Beigeschmack zu eigen machen sollte: »Diese Orte haben einen inneren und äußeren Reichtum. Nur wer sie lieben kann, wird sie verstehen und ihre Schönheiten und versteckten Reichtümer zu schätzen wissen. Die anderen sind blind und dumm. Oder unehrliche Halunken, die nur an sich und die eigene Tasche denken.«
    Schließlich stieg Paolo Orsi mit langen, schnellen Schritten wieder hinab, fast als fürchte er, zu spät zu einer Verabredung zu kommen.
    An der Wegkreuzung, jenseits der Fiumara, standen zwei Uniformierte. Sie warteten darauf, ihn festzunehmen.

2
    Zu Hause erzählte Alberto Arcuri seiner Frau Sofia die Geschichte ihrer Begegnung bis in alle Einzelheiten, selbst vom Flug der Albino-Schwalbe, und auch an den folgenden Abenden sprach er immer wieder von Paolo Orsi, fast wie von einem alten Freund, dessen geheimste Wünsche er genau kenne. Mit künstlicher Fröhlichkeit hallte seine Stimme durch die Stille des Hauses.
    Sofia lauschte ihm, den Blick fest auf die Kerzenflammen gerichtet, die aussahen wie leidende Seelen, durchbohrt vom unerschöpflichen Atem ihres Mannes. Er redete allein, redete, um nicht an die Not seiner Söhne zu denken. Sie, die Analphabetin, konnte in seinem Herzen lesen. Und mit all dem Reden ging der kluge, erfahrene Fremde in das Gedächtnis der gesamten Familie Arcuri ein, auch in das meines Vaters.
    Von den Kriegsjahren hingegen blieb nur eine Handvoll schmerzlicher Erinnerungen, überliefert mit leiser Stimme von der alten Sofia, als habe sie Angst, die schlimmen Zeiten könnten wiederauferstehen.
    Denn leider erwies sich Paolo Orsis Prognose als falsch. Am 24. Mai war der Krieg ausgebrochen, wenige Wochen nach der denkwürdigen Begegnung, und schien zudem kein Ende nehmen zu wollen. Tage und Monate vergingen, die Brüder Arcuri kehrten nicht zurück. Der Hügel verwilderte, Alberto konnte ihn nicht ausreichend bewirtschaften, er hatteauch nur zwei Arme, wie er immer sagte, stark zwar für sein Alter, doch sie hatten ihr Leben lang hart geackert und gaben nicht mehr so viel her wie die der Jungen.
    Im August 1916 starb der älteste Sohn, Michele, ein gutaussehender, ernsthafter und unermüdlich arbeitender junger Mann, der in Spillace schon ein Mädchen gefunden hatte, das er gleich nach seiner Rückkehr hatte heiraten wollen.
    Im Jahr darauf starb Angelo, der jüngste Sohn, scheu und schweigsam: Die große Fotografie in der Küche, auf der er mit seinen beiden Brüdern in Infanteristenuniform abgelichtet war, zeigte tief verborgen im verhangenen Blick die Angst vor der Zukunft.
    »Sie waren so schön, meine Söhne«, weinte die untröstliche Mutter. »Schön, stark und gesund. Ich habe sie an meiner Brust genährt, bis sie vier waren. Nie eine Krankheit, nie ein Fieber. Sie knackten die Nüsse mit ihren weißen Zähnen, weiß wie frische Mandeln, ihre Münder mussten Tag und Nacht gestopft werden.« Sie schwieg ein paar Minuten, sah ihren Mann mit blutunterlaufenen Augen an, dann fuhr sie in immer lauterem Wehklagen fort: »Das ist nicht gerecht«, sie zerkratzte sich das Gesicht, »das ist nicht gerecht«, riss sich die langen schwarzen Haare aus, »einfach nicht gerecht, ohi focu meu !«
    Der Krieg hatte achtzehn junge Männer aus Spillace dahingerafft und weitere sechzehn verstümmelt, in einem Dorf, das damals eintausendzweihundertsechsundzwanzig Einwohner zählte, nicht gerechnet die vielen hundert Auswanderer. Auch die anderen Mütter schrien: »Das ist nicht gerecht!« Das Feuer der Verzweiflung fraß sie von innen auf, nichts vermochte es zu löschen.
    Bei jedem Trauerfall füllte sich das Haus der Arcuri mit Leuten, die sich eng um sie drängten, um den kollektiven Schmerz zu betäuben. Der Dorfpriester bemühte sich um Trost, indem er zu akrobatischen Beileidsbekundungen griff: »Seid stark und betet. Im Grunde habt Ihr Glück im Unglück. Euch bleibt ein Musterbild an

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