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MacTiger - Ein Highlander auf Samtpfoten

MacTiger - Ein Highlander auf Samtpfoten

Titel: MacTiger - Ein Highlander auf Samtpfoten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Ein grauenvolles Ende
    Sommer 1744
    Ich saß vor dem Mauseloch und wartete. Geduldig, wie es so meine Art ist. Es war ein sehr lohnenswertes Mauseloch, denn die Bewohnerin hatte sich Zugang zu den Kornsäcken verschafft und war fett und rund geworden. Leise hörte ich sie hinter den Holzbohlen knispern und knuspern. Nur ganz von ferne drang das Gelärm aus der Halle an meine gespitzten Ohren - das Pfeifen des Dudelsacks, trunkenes Gelächter und Gegröle der Menschen dort unten. Das ging mich nichts an. Da, eine Bewegung, ein schwarzes Näschen bebend am Ausgang des Mauselochs. Ganz ruhig bleiben, nicht rühren. Ich konzentrierte mich völlig auf die leisen Geräusche, die fast unmerklichen Bewegungen. Nichts anderes nahm ich mehr wahr.
    Und so geschah es. Plötzlich ein Poltern, ein Schrei, ein Krachen - ich bemerkte nur noch das stählerne Blitzen über meinem Kopf, dann war es aus.
    Verblüfft schwebte ich nach oben und sah mich entleibt vor dem Mauseloch liegen. Eine Blutlache breitete sich um mich herum aus, und die Maus tanzte schadenfroh vor meiner Nase. Ich kochte vor Zorn!
    Aber weitere Schreie und ohrenbetäubendes Klirren lenkten mich ab. Ein hünenhafter Greis in braunem Tartan-Kilt schwang ein blutbeflecktes Breitschwert, einer von Rory MacIains Mannen brach auf der schmalen Treppe zusammen. Was war denn hier los? Ich wollte mich, wie ich es zur Unterstützung meiner Denkprozesse normalerweise halte, mit der rechten Hinterpfote am Ohr kratzen, als ich voller Entsetzen merkte, dass da weder Pfote noch Ohr war. Es dauerte eine geraume Zeit, bis ich mich wieder fassen konnte. Doch schließlich wurde mir klar, dass ich mich offensichtlich in einem körper-, doch nicht geistlosen Zustand befand. Seltsamerweise konnte ich mich bewegen, wenn auch nicht wie gewohnt auf meinen Pfoten. Ich schwebte sozusagen über den Dingen. Und die sahen nicht besonders gut aus.
    Mein Heim, Drumnadruid Castle, befand sich im Zustand des reinsten Chaos. Überall lagen Menschen in ihrem Blute, Whisky-Lachen breiteten sich vor den geborstenen Fässern aus, Tische und Bänke zersplittert, von Schwerthieben zerhauen, versperrten den Weg ins Freie, und im Gebälk knisterte bereits das Feuer.
    Und dann fand ich sie, meine sanfte Menschenfreundin. Sie lag vor dem großen Kamin in der Halle. Wie eine bleiche, gebrochene Blume ruhte sie inmitten der Trümmer. Rotgolden schimmerte ihr gelöstes Haar, rötlich schimmerte die helle Bluse ihres Festtagskleides im Feuerschein - und rot schimmerte das Blut an ihrer Kehle. Als ich neben ihr weilte, erschüttert von ihrem Anblick, da öffnete sie noch einmal ihre Lider, und es schien mir, als sähe sie mich an. Dann brachen ihre wundervollen blauen Augen, blau wie der Loch Naw im Sommersonnenschein, und das Leben wich aus ihr. Eine golden leuchtende Gestalt entfloh mit dem letzten Atem von ihren zarten Lippen. Und diese Gestalt streckte die Hand nach mir aus, lud mich ein, ihr zu folgen. Aber ich war wie betäubt, unfähig zu reagieren, hilflos blieb ich zurück. Und die geliebte Freundin entschwand meinen Blicken und erhob sich himmelwärts.
    Ich weiß nicht mehr, wie viel Zeit verging. Lange verharrte ich bei ihrem leblosen Körper, hörte nichts, sah nichts, wollte nichts mehr wissen. Erst sehr viel später merkte ich, dass die Geräusche verstummt waren, die Feuer erloschen und die Morgendämmerung grau durch das geborstene Tor gekrochen kam. Zerstört und trostlos lag die Halle vor mir, Totenstille herrschte in der gesamten Burg. Oder? Da war doch ein Kratzen zu hören? Ein feines Scharren, ein Seufzen? Hatte doch noch eine Seele das Gemetzel überlebt?
    Ich konzentrierte meine Aufmerksamkeit auf dieses Geräusch. Tatsächlich, dort am Kamin, hinter dem umgestürzten Tisch, bewegte sich etwas. Lugte ein verschmiertes Gesicht vorsichtig über den Rand. Dann ein zweites, ein Kindergesichtchen. Mary MacIain und die treue Morri krabbelten unter den Trümmern hervor und sahen sich um. Dann stürzte die kleine Mary zu ihrer Schwester, fiel wimmernd an ihrer Seite auf die Knie. Morri versuchte sie wegzuziehen, aber das kleine Mädchen hielt sich an dem blutigen Stoff des Kleides fest.
    »Mary, wir müssen fliehen, keine Zeit jetzt. Mary, Honigkind, komm!«
    »Meine Schwester soll mitkommen.«
    »Sie kann nicht mitkommen, Mary, sie schläft.«
    »Sie schläft so tief, Morri.«
    »Ja, meine Kleine, ganz tief.«
    Morri bückte sich, strich sanft über die Augen der Toten und erhob sich wieder. Dann

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