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Der Hügel des Windes

Der Hügel des Windes

Titel: Der Hügel des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmine Abate
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Versprechen
    Die Schüsse klangen wie der Auftakt eines Feuerwerks am helllichten Tag, mit einem trockenen und irrealen Echo, das vom Meer verschluckt wurde.
    Die drei Kinder planschten gemeinsam mit den Fröschen nackt im vullo , einer Art Tümpel, in dem die letzten Rinnsale des Frühlings zusammenflossen. Arturo sprang rasch auf die Füße, mit dem Finger auf den Lippen gebot er seinen Brüdern zu schweigen, sein Blick wies auf den Hügel des Rossarco: »Still!«, befahl er mit leiser Stimme. Er war acht Jahre alt, ein Jahr jünger als Michele und eines älter als Angelo. Die beiden verstummten.
    Eine Weile blies der Wind unzusammenhängende Klagelaute heran, ungewiss ob von Mensch oder Tier. Gleich darauf hörten sie weitere Schüsse, die wie die vorigen vom Gipfel des Hügels herabhallten. In der Ferne bellte ein Hund. Dann nichts mehr.
    Die Kinder blickten hinauf, unruhig und besorgt, fragten sich, was passiert sei. Dort oben, zwischen den Kirschbäumen, arbeitete die Mutter, allein.
    »Wir gehen nachsehen«, entschied Arturo schließlich. Angelo begann zu wimmern, und Michele versuchte ihm Mut zu machen: »Hab keine Angst, das sind nur die Schüsse von Jagdgewehren. Komm schon, gehen wir.«
    Mit einem Sprung erklommen sie den Kiesrand des Vullo, zogen sich eilig an und durchquerten das Flussbett derFiumara, das von großen, glitzernden Steinen und blühenden Oleanderflecken durchzogen war, dazwischen die von der ersten Junihitze benommenen Eidechsen. Dann rannten sie den Saumpfad hinauf, der zur Mutter führte.
    Die drei Brüder kannten die Gegend wie ihre Westentasche. In den Schulferien jagten sie hinauf auf den Rossarco, bauten Hütten im Wald von Tripepi mit seinen dicht stehenden Steineichen, erforschten die Grotten der Timpalea, einer tiefen Schlucht mit ginster- und brombeergeblähten Stürzen voller Dornen, furchterregend wie das aufgerissene Maul eines Dämons. Während des Sommers streunten sie über den meerseitigen Hang des Hügels und lieferten sich immer wieder Schlachten mit den Kindern aus dem Küstenort Marina, quasi als Auftakt für den echten Krieg, in den sie als Volljährige ziehen würden. Ihr Heer bestand aus einem Dutzend Gleichaltriger, jeder bewaffnet mit Pfeil und Bogen aus Oleanderzweigen. Sobald die Marina-Piraten versuchten, den Rossarco einzunehmen und sich mit Obst vollzustopfen, wurden sie von den tödlichen Pfeilen mit Spitzen aus rostigen Nägeln zurückgedrängt, die manchmal ins Schwarze trafen und Blut und Schreie einforderten. Michele war der General, doch wenn es darum ging, die riskantesten Operationen anzuführen und sich ins Getümmel zu stürzen, schickte er Arturo vor, der vor nichts und niemandem Angst hatte.
    Auch dieses Mal ging Arturo seinen Brüdern voraus.
    Wenige Schritte vor dem Gipfel trafen sie auf die Mutter. Sie kam ihnen entgegen, den Esel ungeduldig am Halfter hinter sich herziehend. »Los, los, ich wollte euch gerade holen, wir gehen nach Hause«, sagte sie, ohne stehen zu bleiben.
    »Was ist denn passiert, Mà?«, fragte Michele. Die Mutter rang sich ein Lächeln ab: »Nichts, nichts ist passiert. Ich habedie letzten zwei Körbe mit Kirschen gefüllt; ich hab zu Hause zu tun, gehen wir.«
    Michele und Angelo stiegen auf den Esel, endlich beruhigt. Arturo, mit der Arglosigkeit des neugierigen Kindes, rannte zum Gipfel hinauf und erblickte eine Szenerie, die er niemals vergessen sollte: Zwischen dem Steineichenwald und den Kirschbäumen lagen auf dem roten Gras zwei junge Männer, beide reglos, eingehüllt in eine Wolke aus Fliegen, die sich wild summend in die frischen Blutlachen stürzten. Des einen Auge war dramatisch geöffnet, grau und zornig, und weiter unten, aus dem Mundwinkel, rann ihm ein Faden Blut über das Kinn und versickerte im Hemdkragen.
    »Komm weg da!« Die Mutter war zurückgekehrt und zerrte das Kind mit aller Kraft fort. »Weg hier, hab ich gesagt!« Arturo gehorchte ihr zahm wie ein Lämmlein, verfolgt von dem grauen, zornigen Auge des Unbekannten, das nicht von ihm abließ.
    Zu Hause stellte die Mutter die Körbe mit Kirschen ab, schickte die Jungen in den Stall, den Esel einsperren, und begann zu kochen.
    Am Abend kam ihr Mann Alberto aus der Schwefelmine, wo er seit vielen Jahren arbeitete; und während seine Frau ihm den Rücken mit einem eingeseiften Lappen schrubbte, redete sie mit ihm, lange und eindringlich.
    Nach dem Essen rief sie Arturo zu sich: »Arturì, auch ich war wie vom Donner gerührt, als ich die da im Gras

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