Der Hund im Kuehlschrank

»du bist der Schnellste. Du hast mir die Erde vom Tor des Südens durch dein Erzählen lebendig werden lassen wie kein anderer. Du sollst ab sofort mein erster Bote sein!«
    An der Phantasiequelle
    Die Phantasie ist eine Quelle, die jedem Menschen zur Verfügung steht. Manchmal allerdings ist der Zugang versperrt. Hemmungen und Ängste blockieren den Weg.
     
    »Was soll ich denn erzählen? Ich kann das nicht. Mir fällt einfach nichts ein.«
    »Ich habe keine Phantasie. Ich bin Realist.«
    »Ich habe keine guten Ideen. Andere Menschen sind viel kreativer als ich.«
    »Das, was mir einfällt, sind doch nur Nichtigkeiten. Das ist nicht der Rede wert.«
     
    Vielleicht finden Sie sich in einer dieser Aussagen wieder? Oder Sie kennen das Gefühl, vor lauter Angst, sich nicht perfekt auszudrücken, lieber gar nicht erst den Mund aufzumachen und Ihre – möglicherweise etwas verrückt anmutenden – Ideen unausgesprochen zu lassen? Falls das so ist, möchte ich Sie ermutigen: Nutzen Sie Ihre Phantasie! Sie lässt sich mit einfachen Mitteln freilegen. Wer auch nur die Spitze seines kleinen Fingers in das sprudelnde Quellwasser taucht, bringt alle Vorbehalte im Handumdrehen zum Verschwinden. Stattdessen kann es geschehen, dass Sie merken: Das macht ja richtig Spaß!
     
    An der Phantasiequelle findet man beste Zutaten für guten Erzählstoff. Dort kann man aus dem Vollen schöpfen. Die Möglichkeiten sind unbegrenzt. Phantasie hat unterschiedliche Gesichter: Sie kann langsam und gemächlich daherkommen, sodass man genüsslich darin schwelgen kann. Sie kann einen aber auch – schnell wie der Blitz – in eine andere Welt versetzen. Phantasie
kann einlullen und schläfrig machen. Sie kann aber auch aufwecken und zu Taten motivieren. Was wäre, wenn jemand zu uns sagte: »Stell dir vor . . .« – und wir könnten uns nichts vorstellen? Wie eng wäre unsere Welt! Phantasie macht das Leben bunt. Sie ist wie ein riesiger Raum, in dem man spielen kann. »Phantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt«, erkannte bereits Albert Einstein. Ohne Phantasie wäre vieles nicht entdeckt oder erfunden worden. Das Leben wäre extrem hart, unerbittlich und gnadenlos. Phantasie ist ein Geschenk Gottes, eine Zuflucht, ein Stück vom verlorenen Paradies. Sie bietet einen wertvollen Schatz, den wir nur allzu leicht vergessen über den Äußerlichkeiten des Lebens: den uns innewohnenden Einfalls-Reichtum.
    Das darf doch nicht wahr sein!
    Wer lebendig erzählen will, braucht Phantasie. Selbst wenn man eine ganz reale Begebenheit wiedergibt, beispielsweise von einer Reise oder von einem Ereignis aus dem Alltag berichtet, ist Phantasie unentbehrlich. Sie hilft, die engen Grenzen der Faktenwelt zu sprengen, hinter das Geschehen zu blicken und mit der Realität spielerisch, kreativ und auch humorvoll umzugehen. Nur so kann Neues und Spannendes entstehen, das der Rede wert ist. Phantasie bringt uns zum Staunen. »Das gibt es doch nicht!«, »Unglaublich!«, »Das darf doch nicht wahr sein!«, rufen die Zuhörer und freuen sich daran, dass da eine oder einer etwas erzählt, das zwar vielleicht nicht wirklich geschehen, aber doch vorstellbar ist.
     
    »Halt!«, ruft jetzt vielleicht einer. »Was ist denn mit der Wahrheit? Man kann doch im Alltag nicht das Blaue vom Himmel
herunter erzählen. Man darf doch nur sagen, was wirklich geschehen ist.« Der Erzähler Joel ben Izzy gibt auf diese Einwände in seinem Buch Der Geschichtenerzähler oder das Geheimnis des Glücks folgende Antwort: »Was meinst du mit wahr? Möchtest du nun wissen, ob sich das Wort für Wort so ereignet hat, wie ich es erzählt habe? [. . .] frag mich lieber, ob die Geschichte gut ist, denn eine gute Geschichte ist wahr, ob sie sich nun ereignet hat oder nicht. Und eine schlechte Geschichte ist eine Lüge, auch wenn sie sich wirklich so ereignet hat. Es geht also nicht darum [. . .] ob die Geschichte wahr ist, sondern ob sie eine Wahrheit beinhaltet. Und das wiederum ist ein Mysterium, das nur die Zeit auflösen kann. [. . .] Diese Welt verfügt über Geschichten, die einem zwanzig Jahre durch den Kopf gehen, bis sie endlich das versteckte Körnchen Wahrheit offenbaren.« [Ref 2]
    Das Zwiebelprinzip
    In jedem Kopf schlummert eine ganze Welt. Für die Ländereien der Phantasie ist unsere rechte Gehirnhälfte zuständig. Dieser Teil des menschlichen Gehirns denkt bildhaft, sieht das Ganze, die Zusammenhänge, die Verbindungen, jenseits von Logik und eingefahrenen