Der Hund von Baskerville
gefunden. Hier im Sumpf legte er ihn an die Kette und wartete eine günstige Gelegenheit ab.
Aber die ließ auf sich warten. Der alte Herr war zur Nachtzeit nicht von seinem Grundstück fortzulocken. Mehrere Male strich Stapleton mit dem Hund herum, aber immer ohne Erfolg. Es war wohl bei diesen fruchtlosen Unternehmungen, daß er oder vielmehr sein Begleiter, das Tier, von Bauern gesehen wurde. So schien sich die Sage von dem Höllenhund zu bestätigen. Stapleton hatte gehofft, seine Frau würde bereit sein, Sir Charles ins Verderben zu locken, aber hier stieß er auf unerwarteten Widerstand. Sie wollte sich nicht darauf einlassen, den alten Herrn in ein amouröses Abenteuer zu verstricken, das ihn seinem Feind ausliefern würde. Weder Drohungen noch — es tut mir leid, es sagen zu müssen — sogar Schläge konnten sie dazu bewegen. Sie wollte mit der Sache einfach nichts zu tun haben. Eine Zeitlang war Stapleton in einer Sackgasse.
Aber dann fand er einen Weg heraus aus seinen Schwierigkeiten. Sir Charles, der sich ihm freundschaftlich verbunden fühlte, übertrug ihm die Vermittlung bei der Hilfsaktion für die unglückliche Laura Lyons. Er gab sich ihr gegenüber als Junggeselle aus und gewann bald vollkommenen Einfluß über sie, zumal er ihr zu verstehen gab, daß er sie heiraten würde, wenn sie die Scheidung von ihrem Mann erlangte. Plötzlich sah er sich zum Handeln gezwungen, da Sir Charles auf Anraten Dr. Mortimers im Begriff war, das Schloß für einige Zeit zu verlassen. Als er davon erfuhr, tat er so, als ob er mit Dr. Mortimers Vorschlag vollkommen übereinstimme. Er mußte aber sofort handeln, wenn ihm sein Opfer nicht entschlüpfen sollte. Darum setzte er Mrs. Lyons unter Druck, diesen Brief zu schreiben, in dem sie den alten Herrn bat, ihr ein Treffen vor seiner Abreise nach London zu gewähren. Dann hielt er sie mit ausgeklügelten Argumenten davon ab, das Stelldichein einzuhalten. Und damit hatte er endlich die Gelegenheit, auf die er gewartet hatte. Nachdem er am Abend aus Coombe Tracey zurückgekommen war, hatte er Zeit genug, sich zu seinem Hund zu begeben, ihn mit der höllischen Leuchtfarbe zu behandeln und das Tier zu der Pforte zu bringen, wo der alte Herr, wie er mit gutem Grund annehmen konnte, warten würde. Der Hund, von seinem Herrn angetrieben, sprang über die Pforte und verfolgte den unglücklichen Baronet, der schreiend die Taxusallee hinunterlief. In dem düsteren Tunnel der Allee muß die riesige schwarze Kreatur, die mit flammendem Kiefer und glühenden Augen hinter ihrem Opfer hersprang, wirklich ein fürchterlicher Anblick gewesen sein. Als Folge des ausgestandenen Schreckens fiel der herzkranke Baronet am Ende der Allee tot um. Der Hund war auf dem Grasstreifen geblieben, während der Baronet auf dem Weg lief, so daß außer den Fußspuren des Mannes keine weiteren Spuren zu sehen waren.
Als Sir Charles so still und regungslos dalag, war das Tier wahrscheinlich nähergekommen und hatte an ihm geschnüffelt, hatte aber von ihm abgelassen, als es merkte, daß der Mann tot war. Dabei hinterließ es die Spuren, die Dr. Mortimer dann bemerkte. Der Hund wurde zurückgerufen und eiligst zu seinem Unterschlupf im Grimpener Sumpf zurückgebracht. Und zurückblieb ein Rätsel, das die Polizei nicht lösen konnte und die Bauern erschreckte, so daß schließlich auch wir uns mit dem Fall zu befassen hatten. So viel über den Tod von Sir Charles Baskerville. Sie sehen, mit welch teuflischem Geschick er geplant war, denn tatsächlich gab es kaum eine Handhabe gegen den wirklichen Mörder. Sein einziger Komplize war jemand, der ihn niemals verraten konnte. Der Einfall mit dem Hund war ja so grotesk und unglaublich, daß niemand auf die Lösung kommen konnte. Die beiden Frauen, die mit im Spiel waren, Mrs. Stapleton und Mrs. Lyons, hatten einen starken Verdacht gegen Stapleton. Mrs. Stapleton wußte, daß er Mordabsichten gegen den alten Mann hatte, und sie wußte auch von der Existenz des Hundes. Mrs. Lyons wußte von diesen Dingen nichts. Aber daß der Tod zu der Stunde ihrer nicht eingehaltenen Verabredung eintrat, von der nur er hatte wissen können, hatte sie erschreckt. Beide Frauen standen jedoch unter seinem Einfluß, und so hatte er von ihnen nichts zu befürchten. Die erste Hälfte seines Planes war erfolgreich ausgeführt, aber der schwierigere Teil lag noch vor ihm.
Es ist möglich, daß Stapleton nichts von der Existenz eines Erben in Kanada wußte. Jedenfalls erfuhr er
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