Der Hundeflüsterer - Thriller (German Edition)
die noch immer vollständig im Schatten lag und wie ein riesiger schwarzer Stern das Gelände dominierte. Zwei schwarze Caddies fuhren langsam die Allee herunter und Tasha wurde plötzlich von einer nervösen Hektik erfasst.
„Damit habe ich nicht gerechnet!“, rief sie und ließ vor Aufregung ihr Klemmbrett zu Boden fallen. „Der Große Präsident kommt hierher zu uns! Ich … ich habe nicht im Entferntesten damit gerechnet!“, stotterte sie und ging in die Knie, um ihre Listen wieder einzusammeln, die sich von dem Klemmbrett gelöst hatten und jetzt im Morgenwind über den sandigen Boden tanzten.
Als die beiden Caddies den Platz vor der Rennbahn erreicht hatten und die Insassen ausstiegen, sah David Stein Gurbanguly zum ersten Mal in der Realität und bewunderte insgeheim die Fotografen und Regisseure, denen es immer wieder gelang, den Diktator als imposanten und furchteinflößenden Mann darzustellen. Denn in Wirklichkeit sah er ganz anders aus. Gurbanguly war klein und unscheinbar und wirkte überaus gebrechlich, als er sich von den beiden blonden Bikini-Mädchen zur Rennbahn führen ließ. Die riesigen goldenen Knöpfe seiner schwarzen Uniform reflektierten die Sonnenstrahlen und warfen funkelnde Blitze in den Pinienwald hinter der Rennbahn. Robyns Briefing war ausgesprochen gründlich gewesen: Tatsächlich wagte niemand außer den Bikini-Mädchen, sich Gurbanguly auf weniger als zehn Meter zu nähern.
„Der Große Präsident möchte mit seinem Genie heute den von Ihnen so meisterhaft trainierten Hund zu Höchstleistungen auf der Rennbahn anspornen“, sagte Gurbangulys Adjutant, der einen schwarzen Anzug und eine dunkle Sonnenbrille trug und eher wie ein Leibwächter wirkte.
„Kein Problem“, sagte David, schnippte mit den Fingern und der Saluki trabte leichtfüßig an den Rand der Rennbahn und setzte sich auf die Hinterläufe. Die lange rote Zunge hing ihm seitlich aus dem Maul und er hechelte leise, für David ein Zeichen, dass Ali Baba wusste, was auf dem Spiel stand.
Gurbanguly drehte sich zur Seite und flüsterte einem der Mädchen etwas ins Ohr. „Der Große Präsident möchte einen genauen Ablauf von Ihnen!“, rief es mit einer glockenhellen Stimme zu David.
„Das ist ganz einfach.“ David bemühte sich, sich seine Aufregung nicht anmerken zu lassen oder auf den Hund zu übertragen. Jetzt stand er kurz davor, sein Ziel zu erreichen, nur noch wenige Minuten trennten ihn davon – bald würde er den Aufenthaltsort von Amir Karsai kennen und dann konnte er endlich Janes Tod rächen. Doch jetzt galt es, diese winzige Zeitspanne, die ihn vom Ende der Operation „Hundeflüsterer“ noch trennte, so professionell wie möglich zu gestalten.
„Sie müssen nur zum Hund kommen, den Griff am Halsband in die Hand nehmen und gemeinsam mit ihm zu der digitalen Anzeige am Rand der Rennbahn gehen. Das ist alles!“
An den erstarrten Mienen der Anwesenden erkannte David, dass er einen entscheidenden Fehler gemacht hatte und er wusste auch sofort, welchen: Als Fremder hatte er Gurbanguly direkt angesprochen, was anscheinend einer Gotteslästerung gleichkam. Gurbanguly selbst zeigte keinerlei Reaktion, er starrte mit ausdrucksloser Miene an David vorbei auf den dunklen Pinienwald, so als hätte David bereits aufgehört für ihn zu existieren.
Die Szenerie schien einzufrieren: Am Rand der Rennbahn saß der Hund mit seinem Wettkampfhalsband, auf dem Platz standen die beiden schwarzen Caddies, davor Gurbanguly, der sich schwer auf die beiden blonden Mädchen in den Bikinis stützte. Zehn Meter davor standen in einem Halbkreis der Adjutant des Diktators und einer seiner Leibwächter, die mit verschränkten Armen auf eine Reaktion oder einen Befehl warteten, daneben Tasha, die aufgehört hatte, nervös ihre Listen auf dem Klemmbrett zu ordnen, und schließlich David, der die Hände in die Gesäßtaschen seiner Jeans steckte und eine betont gleichgültige Miene aufsetzte. Niemand redete und keiner bewegte sich.
*
Nur noch wenige Augenblicke trennten Leyla Khan vom Extrabonus, einer Million Dollar. Sie lag in einem Gebüsch am Rande des großen Gartens, der zur Fitzgerald-Villa gehörte, und brachte gerade ihr Präzisionsgewehr in Position. Doch als sie das Zielfernrohr adjustiert hatte und David Steins Kopf mit dem Fadenkreuz suchte, hatte sie nur die Stoffverdecke der beiden Caddies im Blickfeld. Sie hatte ihren Platz strategisch so gewählt, dass sie den Weg vom Hundehaus bis zur Rennbahn optimal
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