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Der Hundertjaehrige Krieg

Der Hundertjaehrige Krieg

Titel: Der Hundertjaehrige Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Ehlers
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und bis das entschieden war, sollte Ludwigs jüngerer Bruder Philipp die Regentschaft führen. Als die Königin mit einem Sohn niederkam, schien alles in die hergebrachten Bahnen zu weisen, aber das Kind starb nach wenigen Tagen, und nun gab der Regent die Macht nicht mehr aus den Händen. Eine Versammlung von geistlichen und weltlichen Würdenträgern, von Bürgern und Pariser Universitätsjuristen billigte den Staatsstreich und befand für Recht, daß Ludwigs Tochter Johanna nicht Königin werden dürfe, weil in Frankreich Frauen von der Thronfolge ausgeschlossen seien. Anfang des Jahres 1317 ließ sich Philipp als fünfter König seines Namens in Reims krönen. Dieser rein politischen Entscheidung fehlte zwar die behauptete Rechtsgrundlage, aber sie lieferte ein Argument, das sich bald als nützlich erweisen sollte. Philipp V. starb schon 1322, ebenfalls ohne männlichen Erben, und wieder nahm ein Bruder des Verstorbenen die Krone: Karl IV., letzter Sohn Philipps des Schönen.
    Als auch er sechs Jahre später ohne Erben starb, mußte das Problem der Nachfolge durch eine Entscheidung zwischen mehreren Personen gelöst werden, denn nun kamen zwei EnkelPhilipps III. in Frage – Vettern der letzten drei Könige, und zwar Philipp von Évreux, der außerdem Schwiegersohn Ludwigs X. war, und Philipp von Valois. Philipp von Évreux verfolgte seinen Anspruch ohne rechte Ambition, zumal der Valois von vornherein die besseren Chancen hatte: Dessen Vater Karl war als Bruder Philipps des Schönen politisch sehr einflußreich gewesen, während er selbst in fünfunddreißig Lebensjahren schon reichlich Erfahrung gesammelt hatte, den französischen Eliten wohlbekannt und sofort regierungsfähig war. Noch vor seiner Krönung als Philipp VI. am 29. Mai 1328 erschien jedoch eine englische Gesandtschaft und forderte den französischen Thron für ihren König Eduard III., der durch seine Mutter Isabella ein Enkel Philipps des Schönen war. Niemals, soll Isabella gesagt haben, werde Eduard als Sohn eines Königs dem Sohn eines Grafen huldigen. Immerhin war Eduard, allerdings in weiblicher Linie, ein gradnäherer Verwandter des jüngst verstorbenen Königs von Frankreich als Philipp von Valois.
    Das Ende der Capetinger und der Anfang des Hauses Valois
    Die Rechtsauffassung des englischen Hofes war durchaus plausibel begründet. Europäische Dynastien erweiterten ihre Herrschaftsgebiete oft und legitim durch Heirat von Erbtöchtern; das capetingische Königshaus und seine Angehörigen hatten von diesem Brauch selbst mehrmals profitiert, gleichwohl lehnten die französischen Juristen das Ansinnen ab und erklärten, daß Isabella von ihrem Vater niemals ein Nachfolgerecht erhalten habe und demzufolge gar nicht besäße, was sie ihrem Sohn weitergeben wolle.
    Zunächst schien es so, als würde Eduard III. das akzeptieren, denn 1329 huldigte er unter dem Druck seines kriegs- und ausgabenscheuen Parlaments Philipp VI. in Amiens für die Guyenne und erkannte ihn damit als König von Frankreich an. Dieser Eindruck täuschte jedoch. Von seinen beiden großen politischen Zielen – Behauptung des Kontinentalbesitzes und Durchsetzung des Anspruchs auf die Krone Frankreichs – hatte der englische König das erste erreicht, ohne das zweite aufzugeben, denn mit der Huldigung war ihm das Herzogtum Guyenne als Lehen bestätigt worden, die Frage der Anerkennung Philipps VI. aber mußte sich wegen erheblicher Legitimitätsprobleme des Hauses Valois bald neu stellen: In Frankreich sollten ja nicht nur die Frauen von der persönlichen Nachfolge ausgeschlossen werden, sondern auch alle männlichen Nachkommen der weiblichen Linie, weil andernfalls die Söhne der Töchter Ludwigs X., Philipps V. und Karls IV. eine Anwartschaft gehabt hätten. Hieraus ergaben sich Konflikte, die der englische Hof weidlich genutzt hat. Bald sollte Karl von Navarra, Sohn Johannas und Philipps von Évreux, gegen das Haus Valois in den Krieg eingreifen.
    Vergleicht der moderne Betrachter die Ressourcen beider Könige, so erscheint ihm die von Eduard III. ausgehende Gefahr vielleicht wenig bedrohlich. Frankreich war unverhältnismäßig viel reicher an Menschen und Gütern – man darf indes nicht übersehen, daß Wirtschaftskraft im Spätmittelalter eher als potentielle Energie wirkte, die erst erschlossen und durch ein effektives Abgabensystem organisiert werden mußte, bevor man sie einsetzen konnte. Außerdem hatte Frankreich den Höhepunktlandwirtschaftlicher

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