Der Hundertjaehrige Krieg
Produktion schon in der Mitte des 13. Jahrhunderts erreicht, und der immer noch wachsenden Bevölkerungszahl entsprach keine Vergrößerung der Nutzfläche mehr, weil es kaum noch kultivierbares Land gab. Periodisch auftretende Hungersnöte quälten und beunruhigten die Menschen; während die Arbeitslöhne stiegen, fielen die Grundrenten – Haupteinnahmequelle des landbesitzenden Adels. Adliges Leben war jedoch teuer und verlangte nicht nur die Führung eines großen Hauses bis hin zum Hofstaat, Ausgaben für geistliche Stiftungen, für Kleidung und Schmuck: Der ritterliche Kämpfer mußte sich auch auf eigene Kosten ausrüsten, brauchte je nach seinem gesellschaftlichen Rang bis zu sechs speziell für den Einsatz im Gefecht abgerichtete Pferde, dazu natürlich Lanze, Schwert, Helm und Rüstung, die mit fortschreitendem Raffinement des Plattnerhandwerks immer kostspieliger wurden; er war auf Knappen und Hilfskräfte angewiesen, mußte abkömmlich sein für den Dienst am Hof großer Herren, für Krieg und Turnier, nicht zuletzt aber freie Zeit zum Üben der Kampftechniken haben. Als die große Agrarkrise des 14. Jahrhunderts begann, sanken viele adlige Familien in die bäuerliche Schicht ab. Ein großer Teil der Kämpfer im Hundertjährigen Krieg kam aus diesem Adelspauperismus.
Eduard III. huldigt Philipp VI. (1329) Handschrift des 14. Jahrhunderts, Bibliothèque Nationale de France, Paris
Eine besonders kritische Region war Flandern, neben dem Artois wichtigstes europäisches Zentrum der Textilindustrie und gezeichnet durch große soziale Spannungen zwischen oligarchischem Patriziat einerseits, armen Webern und aufstrebenden, nicht an den Stadtregierungen beteiligten Kaufleuten andererseits. Hier setzte Eduard III. an, denn er wollte Flandern als Operationsbasis einer Invasionsarmee nutzen. Weil er den Grafen von Flandern nicht für ein Bündnis gewinnen konnte, übte er wirtschaftlichen Druck auf dessen Städte aus, indem er die englischen Wollexporte einstellte und damit die Weber arbeitslos machte. Gent, Brügge und Ypern vertrieben daraufhin den Grafen und verbündeten sich mit dem englischen König, der nun auf Brabant rechnen konnte.
Als Antwort auf diese Drohgebärde zog Philipp VI. im Mai 1337 die Guyenne als Lehen ein, im Gegenzug erneuerte Eduard III.im Oktober seinen Anspruch auf die französische Krone, landete im Frühsommer 1339 mit seiner Armee auf dem Kontinent und rückte von Brabant aus nach Süden vor. Philipp VI. wagte keine Abwehrschlacht, sondern hoffte auf finanzielle Erschöpfung des Gegners, der sich jedoch im Januar 1340 in Gent als König von Frankreich anerkennen lassen konnte und die französische Lilie in sein Reichswappen neben die drei Leoparden stellte. Am 24. Juni 1340 schlug er bei Sluys vor Brügge die französische Flotte so vernichtend, daß Philipp VI. den Kanal künftig nicht mehr kontrollieren konnte. Ungehindert brachte Eduard III. weitere Truppen auf den Kontinent und hatte schließlich etwa 30.000 Mann in Flandern stehen. Weil beide Könige die hohen Kosten eines Krieges jedoch vorerst vermeiden wollten, schlossen sie am 25. September 1340 in Esplechin nahe Tournai einen Waffenstillstand, der bis zum 24. Juni 1342 befristet war.
Wäre der Krieg damals noch zu verhindern gewesen? Trotz aller Studien über Frieden und Konflikt werden sich Fragen solcher Art niemals präzis und wissenschaftlich haltbar beantworten lassen; der hier zugrundeliegende Streit um die französischen Thronrechte war jedenfalls aus einem Widerspruch erwachsen, der weder dynastisch noch lehnrechtlich aufzulösen war und auf dieser Ebene nicht beigelegt werden konnte. Erst im Rückblick, aus der Erfahrung nationaler Staatengeschichten Europas, erscheint die englische Forderung unnatürlich und deshalb als von vornherein vergeblich. Für die Zeitgenossen beiderseits des Kanals galt aber eine durchaus andere Perspektive. Erbfolge, Lehnrecht und ein sehr persönlich bestimmtes politisches Interesse bildeten als leitende Faktoren die Kriterien, Theorien und Motive für Entscheidungen, deren spezifische Bedingtheit man kennen muß, um den Ablauf der folgenden Ereignisse zu verstehen.
Ein Vorspiel zum großen Krieg sollte dessen Struktur schon sehr deutlich erkennen lassen. Im Jahre 1341 starb Herzog Johann III. von der Bretagne, ein alter Freund und Alliierter des französischen Königshauses, der zuletzt auf Philipps VI. Seite in Flandern gekämpft hatte. Da er keinen Erben
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