Dein Herz will ich erobern
1. KAPITEL
Ein schriller Schrei durchdrang seine Gedanken.
Als ein zorniger Wortschwall folgte, war JeanLuc LeBlanc bereits herumgewirbelt und eilte zu Hilfe. Die Reaktion war rein instinktiv. Ihm kam überhaupt nicht in den Sinn, dass hier in den Straßen von Seattle ganz andere Gefahren lauern könnten als in Hades, seinem Heimatort in Alaska. Dort galt es hauptsächlich, sich vor vierbeinigen Kreaturen oder heftigen Unwettern zu schützen. Hier ging die Bedrohung eher von zweibeinigen Gestalten aus, die ebenso grausam sein konnten wie jede Laune der Natur.
Luc zögerte nicht, um das Für und Wider abzuwägen. Jemand brauchte seine Hilfe, und er war in der Nähe. Das war Grund genug, in Aktion zu treten.
Er brauchte nur einen Moment, um die Situation einzuschätzen. Hinter ihm in der Gasse kämpfte die Taxifahrerin – die ihn vom Flughafen abgeholt und keine halbe Minute zuvor bei dem Hotel abgesetzt hatte, in dem er absteigen wollte – gegen einen Angreifer auf dem Beifahrersitz. Etwas blitzte auf im Licht.
Der Mann hatte ein Messer.
Luc ließ seinen Koffer fallen und lief schneller. „Lassen Sie sie gefälligst los!“
Seine Stimme, die tief und gefährlich klang, wirkte beinahe unvereinbar mit seinem gewinnenden Äußeren. Sein muskulöser Körperbau verlieh der Aufforderung durchaus Nachdruck. Er erreichte das Taxi, zerrte den Straßenräuber vom Sitz und schleuderte ihn beiseite wie einen wertlosen Lumpen.
Das Messer flog dem Angreifer aus der Hand, als er mit dem Kopf gegen einen Müllcontainer prallte, der neben dem Hintereingang des Hotels stand.
Ohne den Blick von seinem Widersacher zu lösen, bückte Luc sich, um die Waffe aufzuheben und aus dem Verkehr zu ziehen.
Mit einem deftigen Fluch rappelte sich der Straßenräuber auf und ging zum Angriff über.
Ein gewaltiger Fausthieb streckte Luc nieder, und er konnte das Messer nur noch mit einem Fuß wegstoßen. Obwohl es ihm den Atem verschlagen hatte, war er schnell wieder auf den Beinen und hob die Fäuste, um sich zu verteidigen, wie er es schon als Teenager gelernt hatte.
Er hörte die Taxifahrerin schreien und erkannte eine Sekunde später, dass es eine Warnung war. Doch schon krachte etwas auf seinen Hinterkopf, und er verspürte einen unerträglichen Schmerz.
Und dann wurde alles schwarz ringsumher.
Verdammt, ich hätte nicht hier anhalten sollen.
Alison hätte es besser wissen sollen. Aber die Straße vor dem Embassy Hotel war schon seit längerer Zeit aufgerissen. Die umfangreichen Bauarbeiten hatten einen beträchtlichen Verkehrsstau verursacht und sie veranlasst, in eine Gasse abzubiegen, die den Kreaturen der Nacht und stämmigen Lieferanten hätte vorbehalten bleiben sollen. Es war gewiss kein geeigneter Ort für eine frisch gebackene Krankenschwester, die das Taxi ihres Bruders fuhr, um sich ein bisschen Geld zu verdienen.
Mit einem Auge auf dem Handgemenge und pochendem Herzen schaute Alison Quintano sich hektisch nach einem Streifenwagen um, aber es war natürlich keiner in Sicht.
Fluchend schnappte sie sich den Deckel einer Mülltonne und hieb ihn dem zweiten Straßenräuber, der aus dem Nichts aufgetaucht war und ihr das Fahrgeld entrissen hatte, mit aller Kraft über den Schädel.
Mit zornig funkelnden Augen wirbelte der Mann zu ihr herum. In einer Reflexbewegung fasste er sich an den Hinterkopf, und als er die Hand senkte und Blut darauf sah, schrie er: „Das wirst du bereuen, du kleines Biest!“
Schon wollte er auf sie losgehen, doch sein Partner, der gerade die Taschen ihres hingestreckten Fahrgastes plünderte, rief ihm zu: „Wir müssen verschwinden.“
Ihr Gegenüber zögerte. Doch dann siegte seine Vernunft. Er setzte dem ersten Mann nach und hob unterwegs lediglich den Koffer auf.
Alison widerstand dem Drang, sie zu verfolgen, denn das wäre töricht gewesen.
Gegen zwei Männer, selbst wenn sie nicht besonders groß und kräftig waren, hätte sie nichts ausrichten können.
Vielmehr eilte sie zu ihrem Fahrgast. Er lag reglos auf dem Bauch. Besorgt sank sie neben ihm auf die Knie und presste die Fingerspitzen auf seine Halsschlagader. Sie atmete erleichtert auf, als sie seinen Puls spürte.
Er lebte noch, aber er war bewusstlos. Der zweite Straßenräuber hatte ihm einen Baseballschläger über den Kopf gezogen. Wie schlimm war die Verletzung?
Sehr vorsichtig rollte sie den Mann auf den Rücken. Nacheinander hob sie seine Augenlider. Seine Pupillen waren nicht geweitet, aber das konnte
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