Der Idiot
in der Veranda erschienen und hatte bei den keinen Augenblick verstummenden hitzigen Debatten der angetrunkenen Gäste über ganz abstrakte und ihr ganz fernliegende Gegenstände eifrig zugehört. Ihre jüngere Schwester, die immer den Mund offenhielt, war in dem anstoßenden Zimmer auf einem Schlafkasten eingeschlafen; der Knabe aber, Lebedjews Sohn, stand neben Kolja und Ippolit, und schon sein begeisterter Gesichtsausdruck zeigte, daß er bereit war, hier noch lange in genußreichem Zuhören auf einem Fleck stehenzubleiben, selbst zehn Stunden hintereinander.
»Ich habe speziell auf Sie gewartet und freue mich außerordentlich, daß Sie in so glücklicher Stimmung gekommen sind«, sagte Ippolit, als der Fürst unmittelbar nach Begrüßung Wjeras zu ihm trat, um ihm die Hand zu drücken.
»Aber woher wissen Sie, daß ich mich in glücklicher Stimmung befinde?«
»Das sieht man Ihnen am Gesicht an. Begrüßen Sie die Herren, und setzen Sie sich sobald wie möglich hierher zu mir! Ich habe speziell auf Sie gewartet«, fügte er hinzu, indem er einen bedeutsamen Nachdruck darauf legte, daß er gewartet habe. Auf die Bemerkung des Fürsten, ob ihm das lange Aufbleiben auch nicht schädlich sein werde, erwiderte er, er wundere sich selbst darüber, daß er vor drei Tagen habe sterben wollen; er habe sich nie wohler gefühlt als an diesem Abend.
Burdowski sprang auf und murmelte, er sei nur so zufällig ... er habe Ippolit herbegleitet und freue sich ebenfalls; in dem Brief habe er allerlei Unsinn geschrieben, aber jetzt freue er sich einfach ... Er sprach nicht zu Ende, drückte dem Fürsten kräftig die Hand und setzte sich wieder auf seinen Stuhl.
Nach Begrüßung aller andern trat der Fürst auch zu Jewgeni Pawlowitsch. Dieser faßte ihn sogleich unter den Arm.
»Ich möchte Ihnen nur ein paar Worte sagen«, flüsterte er ihm zu, »und zwar in einer überaus wichtigen Angelegenheit. Lassen Sie uns einen Augenblick beiseite treten.«
»Nur ein paar Worte!« flüsterte eine andere Stimme dem Fürsten in das andere Ohr, und eine andere Hand faßte ihn von der anderen Seite unter den Arm.
Der Fürst erblickte mit Erstaunen eine Gestalt mit gerötetem, blinzelndem, lachendem Gesicht und wirrem Haar und erkannte im gleichen Augenblick Ferdyschtschenko, der sich Gott weiß woher hier wieder eingefunden hatte.
»Erinnern Sie sich noch an Ferdyschtschenko?« fragte dieser.
»Wo kommen Sie denn her?« rief der Fürst.
»Er bereut!« rief der herbeilaufende Keller. »Er hatte sich versteckt und wollte nicht zu uns herauskommen; er hatte sich da hinten in einem Winkel versteckt; er bereut, Fürst; er fühlt sich schuldig.«
»Schuldig? Wieso?«
»Ich habe ihn getroffen, Fürst; ich habe ihn vorhin eben getroffen und mit hergebracht; er ist einer meiner besten Freunde; aber er bereut.«
»Ich freue mich sehr, meine Herren; gehen Sie nur, und setzen Sie sich dort zu den andern; ich komme auch gleich«, sagte der Fürst, indem er sich endlich losmachte und zu Jewgeni Pawlowitsch eilte.
»Es ist ja hier bei Ihnen sehr amüsant«, bemerkte dieser, »und ich habe mit Vergnügen eine halbe Stunde lang auf Sie gewartet. Was ich sagen wollte, liebster Ljow Nikolajewitsch: ich habe alles mit Kurmyschew geordnet und kam her, um Sie zu beruhigen; Sie brauchen sich nicht darüber aufzuregen; er hat die Sache sehr, sehr vernünftig aufgefaßt, was auch um so näher lag, da er meiner Ansicht nach selbst die meiste Schuld hatte.«
»Mit was für einem Kurmyschew?«
»Nun, mit dem, den Sie vorhin an den Armen gepackt haben ... Er war so wütend, daß er schon beabsichtigte, morgen zu Ihnen zu schicken und Genugtuung zu fordern.«
»Ich bitte Sie, was für ein Unsinn!«
»Natürlich ist es ein Unsinn; und die Sache wäre auch sicher harmlos erledigt worden; aber diese Leute sind bei uns in Rußland ...«
»Sie sind vielleicht auch noch zu einem andern Zweck hergekommen, Jewgeni Pawlowitsch?«
»Oh, natürlich noch zu einem andern Zweck!« versetzte dieser lachend. »Lieber Fürst, ich fahre morgen bei Tagesanbruch in dieser unglücklichen Angelegenheit (nun ja, ich meine in der Sache mit meinem Onkel) nach Petersburg. Denken Sie sich nur: es ist alles wahr, und alle Leute wissen davon mehr als ich. Mich hat die Sache so ergriffen, daß ich heute nicht mehr dazu gekommen bin, dorthin« (zu Jepantschins) »zu gehen, und morgen werde ich es ebenfalls nicht können, weil ich in Petersburg sein werde; Sie verstehen? Vielleicht
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