Die Fallen von Ibex
I
Hana
1
Ich, Hana Esgard, war im achten Lebensjahr, als die Vryhh-Frau kam. Meine Hüfte tat weh, und ich konnte nicht schlafen, deshalb hielt ich mich oben, im Turmgarten, auf und sah zu, wie die Sturmwolken über die Ebene wogten und von den Deflektorschir-men über der Yastroo-Enklave abgedrängt wurden. Ihr Lärmen wurde gedämpft durch das Glas, das mich umschloß, und durch das Kraftfeld, und war doch nach wie vor laut genug, mich zu erregen, ein Gefühl, das ich mochte und um das ich mich bemühte, sooft mir dies möglich war. Es war nach Mitternacht, die Straßen rings um das Esgard-Haus waren einsam; die ganze Gegend war verlassen.
Ich weiß nicht mehr, weshalb ich mich von den Blitzen und den brodelnden Wolken abwandte, doch ich schaute wahrhaftig nach unten, und da sah ich sie auf das Haus zukommen - mit jener raubtierhaften Anmut, die ihnen allen eigen war, diesen verschlossenen, weit reisenden Vrya.
Vryhh-Frau. Ein häßlicher Begriff. Esgard mag es nicht, wenn ich ihn gebrauche; deshalb sage ich ihn nicht laut. Aber in meinen Gedanken spreche ich ihn aus. Vor ihrer Ankunft und lange danach habe ich gehört, daß man sie Schlimmeres geheißen hat, doch sie sind Esgards Brot und Butter, weshalb er vor ihnen kriecht -nicht, daß sie sich etwas daraus zu machen scheinen; sie ignorieren Höflichkeit und Grobheit gleichermaßen. Es gibt nichts, was sie zwingend begehren, soweit ich dies sagen kann, deshalb ist es ihnen ein leichtes, jedes Ärgernis einfach hinter sich zurückzulassen.
Sie kam die Straße entlang, und der Wind, den der Schirm durchließ, bewegte ihren langen Umhang. Sie kam hierher. Ich wußte es. Warum sonst sollte eine Vryhh in Yastroo sein? Vater schickte stets alle weg, wenn er sich mit seinen Vryhh-Kunden zu treffen beabsichtigte. Er ist ein geheimnistuerischer Mann. Nun, vielleicht sollte ich sagen: war- aber dies weiß ich nicht bestimmt, noch nicht. Ich werde es erst wissen, wenn Aleytys zurückkehrt.
Aleytys, die berühmte Angehörige der Jäger von Wolff. Leicht zu täuschen, wie der dümmste Wurm. Halb-Vryhh, so arrogant und skrupellos, wie nur die schlimmsten von ihnen sind. Wenn sie zurückkommt. Sie - ah, das ist verwirrend. Die erste Sie, von der ich sprach, war kein Halbblut. Sie kam - wie auch immer - vor mehr als einem Vierteljahrhundert hierher. Seltsam. Nach wieviel mehr als nur nach fünfundzwanzig Jahren sich das anhört… Vierteljahrhundert. Ich war damals acht. Das habe ich bereits gesagt.
Im darauffolgenden Jahr hat uns meine Mutter verlassen. Sie habe es satt, sagte sie, stets nur den Bruchteil eines Mannes zu haben, denn dies war alles, was Esgard ihr gewährte. Es gefiel ihr nicht, daß er mit dieser Vryhh-Frau so viel Zeit verbrachte. Und sie war bis aufs Blut gereizt, da er sie davon abhielt, bei den Geschäften dabeizusein… und bis aufs Blut gelangweilt durch die Muße, die ihr Leben bestimmte. Außer dem Schwatzen mit anderen Frauen gab es nichts für sie zu tun, es sei denn, sie hätte sich einen Liebhaber genommen - doch aus beidem machte sie sich nichts. Sie mochte Frauen nicht sehr, und einen gelegentlichen Liebhaber fand sie nicht zufriedenstellender als die gelegentlichen Aufmerksamkeiten, die sie von ihrem Mann erhielt. Sie ging mit einem Freihändler. Sie sagte, sie werde möglicherweise ab und zu Hunger leiden oder sogar umkommen, aber wenigstens werde sie nicht aus Langeweile sterben. Hat auch mich verlassen, aber sie mochte mich ohnehin nie richtig; sie kam meinem Herzen nie sehr nahe.
Esgard war wesentlich älter als sie, damals, bei der Heirat. Er hätte es besser wissen müssen, der alte Narr. Sie ebenso. Seine Wege waren festgelegt, und er hatte nie vor, neue Wege zu beschreiten.
Normalerweise nahm er seine Vryhh-Kunden mit in den Turmgarten. Ihr Leben bestand darin, in ihren phantastischen Schiffen von Stern zu Stern zu ziehen, zwischen festen Wänden eingeschlossen wie in Nußschalen, doch betraten sie eine Welt, so mußten sie freien Raum um sich haben - sehr viel freien Raum.
Und Grün und Natur. Kraftfelder zählen nicht, solange sie weit genug entfernt sind und somit ignoriert werden können.
Als ich sie die Straße herunterkommen sah, wußte ich, daß sie zu uns kam, obwohl die Geschäftsstunden längst vorbei waren.
Die Vrya haben noch nie einen Gedanken daran verschwendet, ob sie anderen möglicherweise Unbequemlichkeiten bereiten. Es gab stets einen Markt für das, was sie zu verkaufen hatten - sie brauchten keine
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