Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
Vom Netzwerk:
Romanschriftsteller und sogar Sozialdemokraten, nichts machte auf Nastasja Filippowna irgendwelchen Eindruck, gerade als ob sie statt des Herzens einen Stein in der Brust hätte und ihre Gefühle für alle Zeit vertrocknet und erstorben wären. Sie führte ein sehr zurückgezogenes Leben, las viel, beschäftigte sich sogar mit den Wissenschaften und liebte die Musik. Bekannte hatte sie nur wenige: sie verkehrte nur mit ein paar armen, komischen Beamtenfrauen und einigen alten Schauspielerinnen; namentlich aber hegte sie eine warme Zuneigung zu der zahlreichen Familie eines achtungswerten Lehrers und wurde auch ihrerseits in dieser Familie sehr geliebt und, wenn sie zu Besuch kam, mit Freuden empfangen. Ziemlich oft fanden sich abends bei ihr fünf oder sechs Bekannte zusammen, nicht leicht mehr. Tozki erschien recht häufig und pünktlich. In der letzten Zeit war es auch dem General Jepantschin nicht ohne große Mühe gelungen, Nastasja Filippownas Bekanntschaft zu machen. Gleichzeitig machte sich auf höchst leichte, mühelose Weise auch ein junger Beamter namens Ferdyschtschenko mit ihr bekannt, ein recht kommuner, vulgärer Hansnarr, der sich als einen Bruder Lustig gab und gern trank. Des weiteren war ein eigentümlicher junger Mensch namens Ptizyn mit ihr bekannt; er war von bescheidenem Wesen und korrekten, glatten Manieren, stammte aus ärmlicher Familie und hatte sich zum Geldverleiher hinaufgearbeitet. Schließlich wurde auch Gawrila Ardalionowitsch mit ihr bekannt ... Das Resultat war, daß Nastasja Filippowna zu einer eigenartigen Berühmtheit gelangte: jedermann wußte von ihrer Schönheit, aber das war auch alles; niemand konnte sich rühmen, etwas bei ihr erreicht zu haben, niemand Nachteiliges über sie erzählen. Durch dieses Renommee und durch ihre Bildung und ihr feines Benehmen und ihren scharfen Verstand, durch alles dies ließ sich Afanasi Iwanowitsch in der Absicht bestärken, einen gewissen Plan durchzuführen. Bis zu diesem Punkt hatten sich die Dinge entwickelt, als General Jepantschin selbst daran einen tätigen, hervorragenden Anteil zu nehmen begann.
    Tozki legte, als er sich in so liebenswürdiger Weise an ihn mit der Bitte um seinen Rat in betreff einer seiner Töchter wandte, ihm durchaus ehrenhaft ein vollständiges und offenherziges Bekenntnis ab. Er eröffnete ihm, daß er entschlossen sei, vor keinem Mittel zurückzuschrecken, um seine Freiheit wiederzuerlangen; er werde sich nicht damit beruhigen, wenn sogar Nastasja Filippowna selbst ihm die Versicherung geben sollte, ihn künftig ganz in Ruhe lassen zu wollen; mit Worten werde er sich nicht zufriedengeben, er brauche eine vollständige Garantie. So verbündeten sich denn die beiden und beschlossen gemeinsam vorzugehen. Sie entschieden sich dafür, es zuerst mit den mildesten Mitteln zu versuchen und sozusagen nur die edelsten Saiten in Nastasjas Filippownas Herzen anzuschlagen. Beide fuhren zu ihr, und Tozki begann geradezu mit der Erklärung, seine Lage sei ihm unerträglich geworden; er gestand, daß er selbst an allem schuld sei, sprach es offen aus, daß er nicht umhin könne, sein früheres Verhalten gegen sie zu bereuen; aber er sei eben ein eingefleischter Genußmensch und habe sich selbst nicht in der Gewalt. Jetzt aber wolle er sich verheiraten, und das ganze Schicksal dieser im höchsten Grade wohlanständigen, noblen Ehe liege in ihren Händen; kurz, er erwarte alles von ihrem Edelmut. Dann begann in seiner Eigenschaft als Vater General Jepantschin zu reden; er sprach verstandesmäßig, unter Vermeidung des rührende Elements, erwähnte nur, daß er durchaus ihre Berechtigung anerkenne, über Afanasi Iwanowitschs Schicksal zu entscheiden, und paradierte geschickt mit seiner eigenen Demut, indem er darauf hinwies, daß das Schicksal seiner Tochter, ja vielleicht auch das seiner beiden anderen Töchter, jetzt von ihrer Entscheidung abhänge. Auf Nastasja Filippownas Frage, was man denn eigentlich von ihr verlange, gestand ihr Tozki mit der gleichen, ganz unverhüllten Offenheit wie vorher, er habe vor fünf Jahren einen solchen Schreck über sie bekommen, daß er sich auch jetzt nicht eher ganz beruhigen könne, als bis sich Nastasja Filippowna selbst mit irgend jemand verheirate. Er fügte sogleich hinzu, diese Bitte würde von seiner Seite natürlich ungehörig sein, wenn er nicht in betreff derselben gewisse Unterlagen hätte. Er habe sehr wohl bemerkt und wisse mit Bestimmtheit, daß ein junger Mann von sehr guter

Weitere Kostenlose Bücher