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Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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... das ist beinah unerhört, Aglaja ...! Verzeihen Sie, Fürst, verzeihen Sie, mein Teuerster ...! Lisaweta Prokofjewna!« wandte er sich an seine Gattin um Hilfe; »es wird nötig sein ... die Sache zu überlegen ...«
    »Ich weigere mich, ich weigere mich!« rief Lisaweta Prokofjewna mit abwehrenden Handbewegungen.
    »Gestatten Sie auch mir zu reden, Mama; ich bin in einer solchen Angelegenheit doch auch von einiger Wichtigkeit: dies ist der Augenblick, in dem sich mein Schicksal entscheidet« (genau so drückte Aglaja sich aus), »und ich will durch eigene Fragen ins klare kommen und freue mich außerdem, daß es in Gegenwart aller geschieht. Wenn Sie also ›ernste Absichten haben‹, Fürst, so gestatten Sie mir die Frage, wodurch Sie mich eigentlich glücklich zu machen gedenken!«
    »Ich weiß wirklich nicht, Aglaja Iwanowna, was ich Ihnen antworten soll; auf diese Frage ... was soll ich da antworten? Und dann ... ist es denn notwendig?«
    »Sie scheinen verlegen geworden zu sein und keine Luft zu haben; erholen Sie sich ein wenig, und sammeln Sie neue Kraft; trinken Sie ein Glas Wasser; übrigens werden Sie auch sogleich Tee bekommen.«
    »Ich liebe Sie, Aglaja Iwanowna, ich liebe Sie sehr; ich liebe nur Sie allein und ... bitte, treiben Sie keinen Scherz; ich liebe Sie sehr.«
    »Aber das ist denn doch eine wichtige Sache; wir sind keine Kinder und müssen es vom praktischen Standpunkt aus ansehen ... Haben Sie jetzt die Güte anzugeben, worin Ihr Vermögen besteht!«
    »Aber, aber, Aglaja! Was redest du! Das ist ja ungehörig, ganz ungehörig ...«, murmelte Iwan Fjodorowitsch erschrocken.
    »Das ist eine Schande!« flüsterte Lisaweta Prokofjewna laut.
    »Sie ist verrückt geworden!« flüsterte Alexandra ebenfalls laut.
    »Mein Vermögen ... das heißt mein Geld?« fragte der Fürst erstaunt.
    »Ganz richtig.«
    »Ich besitze ... ich besitze jetzt hundertfünfunddreißigtausend Rubel«, murmelte der Fürst errötend.
    »Mehr nicht?« fragte Aglaja laut und in aufrichtiger Verwunderung, ohne irgendwie zu erröten. »Indes das macht nichts, namentlich bei sparsamer Wirtschaft ... Beabsichtigen Sie, ein Amt anzunehmen?«
    »Ich wollte die Hauslehrerprüfung ablegen ...«
    »Sehr anständig; gewiß, das wird unsere Mittel vermehren. Haben Sie vor, Kammerjunker zu werden?«
    »Kammerjunker? Daran habe ich nie gedacht; aber ...«
    Aber hier konnten sich die beiden Schwestern nicht mehr halten und prusteten vor Lachen los. Adelaida hatte schon lange in Aglajas zuckenden Gesichtsmuskeln die Vorzeichen eines plötzlich hervorbrechenden, unbezwingbaren Gelächters bemerkt, das Aglaja vorläufig noch mit aller Kraft unterdrückte. Aglaja wollte den lachenden Schwestern einen drohenden Blick zuwerfen, konnte sich aber selbst keine Sekunde länger beherrschen und brach ebenfalls in ein tolles, fast hysterisches Gelächter aus; schließlich sprang sie auf und lief aus dem Zimmer.
    »Das habe ich doch gewußt, daß es nur ein Spaß war und weiter nichts!« rief Adelaida. »Gleich von Anfang an, von dem Igel an!«
    »Nein, das kann ich nicht mehr dulden, das kann ich nicht mehr dulden!« rief Lisaweta Prokofjewna, in heftigem Zorn aufbrausend, und lief schnell hinter Aglaja her.
    Auch die Schwestern eilten der Mutter sofort nach. Im Zimmer blieben nur der Fürst und der Vater der Familie zurück.
    »Das ist ja ... das ist ja ... Hast du dir je so etwas vorstellen können, Ljow Nikolajewitsch?« rief der General heftig; er wußte offenbar selbst nicht, was er sagen wollte. »Nein, im Ernst, sage im Ernst!«
    »Ich sehe, daß Aglaja Iwanowna sich über mich lustig gemacht hat«, antwortete der Fürst traurig.
    »Warte einen Augenblick, lieber Freund; ich will hingehen; warte du ein Weilchen ... Aber ... erkläre wenigstens du mir, Ljow Nikolajewitsch, wie das alles gekommen ist, und was das alles sozusagen für einen Zweck verfolgt! Du mußt selbst zugeben, lieber Freund, ich bin doch der Vater; aber obwohl ich der Vater bin, verstehe ich nichts davon. Also gib wenigstens du mir eine Erklärung!«
    »Ich liebe Aglaja Iwanowna; das weiß sie und ... ich meine, sie weiß es schon lange.«
    Der General zuckte die Achseln.
    »Seltsam, seltsam ...! Und du liebst sie sehr?«
    »Ja, ich liebe sie sehr.«
    »Das alles kommt mir so seltsam vor, so seltsam! Ich meine, es ist eine solche Überraschung, etwas so Unerwartetes, daß ... Siehst du, mein Lieber, ich will nicht von deinem Vermögen reden (wiewohl ich geglaubt hatte, daß

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