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Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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Röte bis zum Schluß ihrer Rede nicht mehr von ihrem Gesicht. »Als ich den Fürsten wiedersah, ging mir sein Schicksal tief zu Herzen. Lachen Sie nicht; wenn Sie darüber lachen, sind Sie nicht wert, es anzuhören...«
    »Sie sehen, daß ich nicht lache«, versetzte Nastasja Filippowna traurig und finster.
    »Übrigens ist es mir ganz gleich, lachen Sie, soviel Sie wollen! Als ich ihn selbst fragte, sagte er mir, er liebe Sie schon längst nicht mehr, schon die bloße Erinnerung an Sie sei ihm eine Qual, aber Sie täten ihm leid, und sooft er an Sie denke, sei es ihm, als habe er einen Stich ins Herz bekommen, der lebenslänglich blute. Ich muß Ihnen noch sagen, daß ich noch nie in meinem Leben einem Menschen begegnet bin, der ihm an edler Schlichtheit und grenzenlosem Vertrauen gleichkäme. Aus allem, was er sagte, konnte ich entnehmen, daß ihn jeder, der es will, betrügen kann und daß er jedem, der ihn betrogen hat, nachher verzeihen wird, und das war der Grund, weshalb ich ihn liebgewann...«
    Aglaja hielt einen Augenblick inne, sie schien erschrocken zu sein und ihren eigenen Ohren nicht zu glauben, daß sie ein solches Wort hatte aussprechen können; aber zu gleicher Zeit funkelte ein grenzenloser Stolz in ihrem Blick auf; es machte den Eindruck, als sei ihr jetzt alles gleich; mochte selbst »dieses Weib« über das ihr soeben entschlüpfte Bekenntnis lachen.
    »Ich habe Ihnen alles gesagt, und jetzt haben Sie gewiß verstanden, was ich von Ihnen will?«
    »Vielleicht habe ich es verstanden; aber sprechen Sie es selbst aus!« antwortete Nastasja Filippowna leise.
    Der helle Zorn flammte in Aglajas Gesicht auf.
    »Ich wollte von Ihnen erfahren«, sagte sie fest und deutlich, »mit welchem Recht Sie sich in seine Gefühle für mich einmischen. Mit welchem Recht haben Sie es gewagt, an mich Briefe zu schreiben? Mit welchem Recht erklären Sie alle Augenblicke ihm und mir, daß Sie ihn lieben, und das, nachdem Sie ihn selbst verlassen haben und ihm in so beleidigender und... schmachvoller Weise weggelaufen sind?«
    »Ich habe weder ihm noch Ihnen erklärt, daß ich ihn liebe«, sagte Nastasja Filippowna mit sichtlicher Anstrengung. »Und... Sie haben recht darin, daß ich ihm weggelaufen bin...,« fügte sie kaum hörbar hinzu.
    »Wie können Sie sagen, Sie hätten es weder ihm noch mir erklärt?« rief Aglaja. »Und Ihre Briefe? Wer hat Sie gebeten, bei uns die Rolle der Heiratsvermittlerin zu übernehmen und mir zuzureden, daß ich ihn nehmen soll? Ist das nicht eine deutliche Erklärung Ihrer eigenen Empfindungen? Warum drängen Sie sich uns auf? Ich dachte zuerst schon, Sie wollten im Gegenteil dadurch, daß Sie sich in unsere Angelegenheiten einmischten, bei mir eine Abneigung gegen ihn erwecken, damit ich mich von ihm abwandte, und erst nachher habe ich verstanden, was dahintersteckte: Sie bildeten sich einfach ein, daß Sie mit all diesen Narrenspossen eine große Heldentat vollführten... Aber konnten Sie ihn denn überhaupt lieben, wenn Sie in Ihre eigene Eitelkeit so sehr verliebt sind? Warum sind Sie nicht einfach von hier fortgereist, statt mir lächerliche Briefe zu schreiben? Warum heiraten Sie jetzt nicht den edlen Mann, der Sie so liebt und Ihnen die Ehre erwiesen hat, Ihnen seine Hand anzubieten? Der Grund ist nur zu klar: wenn Sie Rogoshin heiraten, wo bleibt dann die Ihnen angetane Schmach? Man erweist Ihnen sogar zuviel Ehre! Jewgenij Pawlowitsch hat von Ihnen gesagt, Sie hätten zuviel Gedichte gelesen und seien ›zu gebildet für Ihre... Stellung‹; Sie seien ein gelehrtes Frauenzimmer und eine Müßiggängerin; nehmen Sie noch Ihre Eitelkeit hinzu, da haben Sie all Ihre Motive...«
    »Und Sie sind keine Müßiggängerin?«
    Gar zu rasch und gar zu offen war das Gespräch zu dieser unerwarteten Tonart gelangt, unerwartet insofern, als Nastasja Filippowna noch auf der Fahrt nach Pawlowsk von einem glücklichen Ausgang geträumt hatte, obwohl sie natürlich eher Schlechtes als Gutes erwartete. Aglaja aber hatte sich in einem Augenblick von ihrem Affekt völlig hinreißen lassen, wie wenn sie von einem steilen Berge hinabfuhr, und konnte der süßen Lockung, sich zu rächen, nicht widerstehen. Für Nastasja Filippowna war es eine seltsame Überraschung, Aglaja in einem solchen Zustand zu sehen; sie betrachtete sie, als traute sie ihren Augen nicht, und wußte sich im ersten Augenblick überhaupt nicht zurechtzufinden. Mochte ihr nun, wie Jewgenij Pawlowitsch meinte, die Lektüre von

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