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Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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Wie unklar auch seine Gedanken waren, so begriff er doch, daß sie auch ohne ihn dorthin gehen würde und er ihr daher unter allen Umständen folgen müsse. Er ahnte, wie stark ihre Entschlossenheit war; er war außerstande, diesen wilden Drang zu hemmen. Sie gingen schweigsam und redeten auf dem ganzen Weg kaum ein Wort. Es fiel ihm nur auf, daß sie den Weg genau kannte, und als er einen Umweg einschlagen wollte, weil da nicht so viele Menschen gingen, und ihr dies vorschlug, hörte sie, sich anscheinend zur Aufmerksamkeit zwingend, zu und antwortete kurz: »Es ist ja ganz gleich!« Als sie schon ganz nahe bei Darja Alexejewnas Haus waren (einem großen, alten Holzhaus), kam eine luxuriös gekleidete Dame in Begleitung eines jungen Mädchens aus der Haustür; beide stiegen in eine dort wartende elegante Equipage, sie lachten und redeten laut und warfen den beiden Ankömmlingen keinen Blick zu, als bemerkten sie sie gar nicht. Kaum war die Equipage weggefahren, als die Haustür sich sofort zum zweitenmal öffnete und Rogoshin, der schon gewartet hatte, den Fürsten und Aglaja hereinließ und hinter ihnen die Tür zuriegelte.
    »Im ganzen Haus ist jetzt niemand außer uns vieren«, bemerkte er laut und sah den Fürsten seltsam an.
    Im ersten Zimmer erwartete sie Nastasja Filippowna, gleichfalls sehr einfach und ganz in Schwarz gekleidet; sie stand auf und kam ihnen einige Schritte entgegen, aber sie lächelte nicht und reichte dem Fürsten nicht einmal die Hand.
    Ungeduldig hielt sie ihren unruhigen Blick auf Aglaja gerichtet. Beide setzten sich in einiger Entfernung voneinander – Aglaja in einer Ecke des Zimmers auf das Sofa, Nastasja Filippowna am Fenster. Der Fürst und Rogoshin setzten sich nicht und wurden auch gar nicht aufgefordert, sich zu setzen. Der Fürst blickte wieder erstaunt und, wie es schien, mit tiefem Schmerz Rogoshin an, aber dieser lächelte immer noch ganz in seiner alten Art. Das Schweigen dauerte noch einige Augenblicke.
    Dann trat endlich ein unheilverkündender Ausdruck auf Nastasja Filippownas Gesicht; ihr Blick wurde starr, fest und haßerfüllt; sie wandte ihn nicht einen Augenblick von ihrer Besucherin ab. Aglaja war offenbar verwirrt, aber nicht schüchtern. Beim Eintritt hatte sie ihrer Nebenbuhlerin kaum einen Blick zugeworfen und dann die ganze Zeit mit niedergeschlagenen Augen dagesessen, als wäre sie in Gedanken versunken. Ein paarmal ließ sie wie von ungefähr ihren Blick durch das Zimmer gleiten; auf ihrem Gesicht malte sich deutlich der Widerwille, den sie empfand, als ob sie sich hier zu beschmutzen fürchtete. Mechanisch brachte sie ihre Kleidung in Ordnung und wechselte sogar einmal unruhig ihren Platz, indem sie in die Sofaecke rückte. Sie war sich kaum selbst aller ihrer Bewegungen bewußt, aber gerade durch diese Unbewußtheit wurde das Beleidigende, das in ihnen lag, noch gesteigert. Endlich blickte sie Nastasja Filippowna fest und gerade in die Augen und las sogleich klar alles, was in deren nichts Gutes verheißendem Blick funkelte. Das Weib hatte das Weib verstanden; Aglaja fuhr zusammen.
    »Sie wissen sicher, warum ich Sie zu einer Zusammenkunft eingeladen habe«, sagte sie endlich, aber sehr leise; ja sie stockte sogar ein paarmal in diesem kurzen Satz.
    »Nein, ich weiß nichts«, antwortete Nastasja Filippowna kurz und trocken.
    Aglaja errötete. Vielleicht kam es ihr auf einmal sehr seltsam und wunderlich vor, daß sie jetzt bei dieser Frau, im Hause »dieses Weibes«, saß und auf deren Antwort wartete. Beim ersten Ton von Nastasja Filippownas Stimme ging es wie ein Zittern durch ihren Körper. Das alles bemerkte »dieses Weib« natürlich sehr genau.
    »Sie verstehen alles... aber Sie stellen sich absichtlich, als verstünden Sie es nicht«, sagte Aglaja so leise, daß es beinahe nur ein Flüstern war, und blickte mit finsterer Miene zu Boden.
    »Was könnte ich für Grund haben, das zu tun?« erwiderte Nastasja Filippowna leise lächelnd.
    »Sie wollen aus meiner Lage Vorteil ziehen... daß ich in Ihrem Hause bin«, fuhr Aglaja mit komischer Ungeschicklichkeit fort.
    »An dieser Lage sind Sie schuld und nicht ich!« fuhr Nastasja Filippowna auf einmal auf. »Nicht ich habe Sie eingeladen, sondern Sie mich, und ich weiß bis zu diesem Augenblick noch nicht warum.«
    Aglaja hob hochmütig den Kopf.
    »Halten Sie Ihre Zunge im Zaum; ich bin nicht hergekommen, mit dieser Ihrer Waffe zu kämpfen...«
    »Ah! Also sind Sie doch hergekommen, ›um zu kämpfen‹?

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