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Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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der Gedanke, der sich ihm vorhin hatte aufdrängen wollen, kam ihm jetzt plötzlich in den Kopf.
    Dieser Gedanke bestand zum Teil darin, daß Rogoshin, wenn er in Petersburg war, mochte er sich auch zeitweilig vor ihm verbergen, dennoch unter allen Umständen schließlich zu ihm, dem Fürsten, kommen würde, sei es in guter, sei es in schlechter Absicht, vielleicht in derselben wie damals. Jedenfalls konnte Rogoshin, wenn er aus irgendeinem Grund zu ihm kommen wollte, nirgend anderswohin gehen als hierher, wieder nach diesem selben Korridor. Eine Adresse hatte der Fürst bei Rogoshin nicht hinterlassen; also konnte dieser sehr wohl denken, daß der Fürst wieder in dem früheren Gasthaus abgestiegen sei. Jedenfalls war zu erwarten, daß er versuchen würde, ihn hier zu finden... wenn er ihn sehr brauchte. Und wie konnte man wissen, vielleicht brauchte er ihn wirklich schon sehr nötig.
    So dachte er, und dieser Gedanke schien ihm durchaus möglich. Er wäre, wenn er sich in diesen Gedanken vertieft hätte, nicht imstande gewesen, manche Fragen befriedigend zu beantworten: ›Warum soll Rogoshin mich plötzlich so dringend brauchen, und warum ist es sogar ausgeschlossen, daß wir nicht schließlich zusammenkommen?‹ Aber der Fürst sagte sich in sehr bedrückter Stimmung weiter: ›Wenn es ihm gut geht, wird er nicht kommen; eher wenn es ihm schlecht geht, und es wird ihm gewiß schlecht gehen...‹
    Bei dieser Überzeugung hätte er nun allerdings auf Rogoshin zu Hause, im Hotelzimmer, warten sollen; aber es war, als könne er seinen neuen Gedanken nicht ertragen, er sprang auf, ergriff seinen Hut und lief hinaus. Auf dem Korridor war es schon fast ganz dunkel. ›Wie, wenn er jetzt plötzlich aus jenem Winkel heraustritt und mich auf der Treppe anhält?‹ ging es ihm durch den Kopf, als er sich der bekannten Stelle näherte. Aber niemand trat heraus. Er stieg die Treppe hinunter, ging durch das Tor, trat auf den Gehsteig hinaus, wunderte sich über den dichten Menschenschwarm, der mit Sonnenuntergang auf die Straße hinausströmte (wie das in Petersburg zur Hundstagszeit immer der Fall ist), und schlug die Richtung nach der Gorochowaja-Straße ein. Als er sich von seinem Gasthaus fünfzig Schritte entfernt hatte, berührte bei der ersten Straßenkreuzung auf einmal jemand in der Menge seinen Ellbogen und sagte halblaut dicht an seinem Ohr:
    »Lew Nikolajewitsch, komm mit mir mit, Bruder; ich brauche dich.«
    Es war Rogoshin.
    Sonderbar: der Fürst begann auf einmal, vor Freude stammelnd und die Worte kaum zu Ende sprechend, ihm zu erzählen, wie er ihn soeben im Gasthaus auf dem Korridor erwartet habe.
    »Ich war dort«, erwiderte Rogoshin zu seiner Überraschung. »Komm mit!«
    Der Fürst wunderte sich über diese Antwort, aber er wunderte sich erst mindestens zwei Minuten später, nachdem er die Antwort überlegt hatte. Bei dieser Überlegung erschrak er und begann Rogoshin aufmerksam zu betrachten. Dieser war ihm schon fast einen halben Schritt voraus, er schaute gerade vor sich hin und blickte keinen der Passanten an, wich aber allen mit mechanischer Vorsicht aus.
    »Warum hast du mich nicht auf meinem Zimmer aufgesucht... wenn du doch im Gasthaus warst?« fragte der Fürst auf einmal.
    Rogoshin blieb stehen, sah ihn an, dachte ein Weilchen nach und sagte dann, als verstünde er die Frage nicht:
    »Weißt du was, Lew Nikolajewitsch, geh du hier geradeaus bis dicht an unser Haus, verstehst du? Ich gehe auf der anderen Seite. Aber paß auf, daß wir nicht auseinanderkommen!...«
    Nach diesen Worten ging er quer über die Straße nach dem gegenüberliegenden Gehsteig hinüber, sah sich um, ob der Fürst auch weitergehe, und als er bemerkte, daß dieser stehengeblieben war und mit weitgeöffneten Augen nach ihm hinblickte, machte er ihm mit der Hand ein Zeichen nach der Gorochowaja-Straße zu und ging dann weiter, indem er sich alle Augenblicke nach dem Fürsten hinwandte und ihn zum Nachkommen aufforderte. Er war augenscheinlich beruhigt, als er sah, daß der Fürst ihn verstanden hatte und nicht von dem andern Gehsteig zu ihm herüberkam. Dem Fürsten ging der Gedanke durch den Kopf, daß Rogoshin wohl nach jemand Ausschau halten und ihn nicht auf der Straße unbemerkt vorbeigehen lassen wolle und darum nach dem andern Gehsteig hinübergegangen sei. ›Aber warum hat er denn nicht gesagt, nach wem er Ausschau hält?‹ fragte er sich. So gingen sie etwa fünfhundert Schritte, und auf einmal begann der Fürst aus

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