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Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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heruntergelassenen Vorhängen nur schwer etwas erkennen können. Allerdings konnte man noch die Gesichter unterscheiden, wenn auch nicht gerade deutlich. Rogoshins Gesicht war blaß wie gewöhnlich; die Augen blickten den Fürsten fest an, sie glänzten stark, waren aber unbeweglich.
    »Willst du nicht Licht anzünden?« fragte der Fürst.
    »Nein, das ist nicht nötig«, antwortete Rogoshin, faßte den Fürsten bei der Hand und zog ihn auf einen Stuhl nieder; er selbst setzte sich ihm gegenüber, indem er seinen Stuhl so heranzog, daß seine Knie fast gegen die des Fürsten stießen. Zwischen ihnen stand, etwas seitwärts, ein kleines rundes Tischchen. »Setz dich! Wir wollen ein Weilchen sitzen«, sagte er, als müßte er ihm zureden. Etwa eine Minute lang schwiegen sie. »Ich wußte, daß du dich in diesem selben Gasthaus einquartieren würdest«, begann er, wie manchmal die Leute zu Beginn eines bedeutsamen Gespräches mit unwichtigen Details anfangen, die in keinem direkten Bezug zur Sache stehen. »Als ich auf den Korridor kam, da dachte ich: ›Vielleicht sitzt auch er jetzt da und wartet auf mich, wie ich auf ihn, in diesem selben Augenblick.‹ Bist du bei der Lehrerwitwe gewesen?«
    »Ja, ich war dort«, versetzte der Fürst; er konnte vor starkem Herzklopfen kaum reden.
    »Ich habe auch daran gedacht. ›Es wird noch ein Gerede geben‹, dachte ich ... und dann dachte ich noch: ›Ich werde ihn zum Übernachten hierherbringen, damit wir diese Nacht zusammen ...‹«
    »Rogoshin! Wo ist Nastasja Filippowna?« flüsterte der Fürst und stand, an allen Gliedern zitternd, auf.
    Auch Rogoshin erhob sich.
    »Dort«, flüsterte er und wies mit einer Kopfbewegung nach dem Vorhang.
    »Schläft sie?« flüsterte der Fürst.
    Rogoshin blickte ihn wieder starr an wie vorher.
    »Wollen wir hingehen?... Aber du... Na, gehen wir!«
    Er hob die Portiere in die Höhe, blieb stehen und wandte sich wieder zum Fürsten.
    »Geh hinein!« sagte er, mit dem Kopf auf die Portiere deutend und ihn zum Vorangehen einladend. Der Fürst ging unter dem Vorhang durch.
    »Es ist hier dunkel«, sagte er.
    »Man kann schon sehen!« murmelte Rogoshin.
    »Ich sehe kaum ... das Bett.«
    »Tritt nur näher heran!« forderte ihn Rogoshin leise auf.
    Der Fürst trat noch näher, einen Schritt, einen zweiten, dann blieb er stehen. Er stand da und blickte eine oder zwei Minuten lang hin; beide schwiegen während der ganzen Zeit, wo sie an dem Bett standen; dem Fürsten klopfte das Herz so, daß er meinte, es müßte im Zimmer bei der herrschenden Totenstille zu hören sein. Aber seine Augen hatten sich schon an die Dunkelheit gewöhnt, so daß er das ganze Bett erkennen konnte; auf ihm schlief jemand, ganz ohne sich zu rühren; man hörte nicht das leiseste Rascheln, nicht das leiseste Atemholen. Der Schlafende war bis über den Kopf mit einem weißen Leinentuch zugedeckt, aber die Glieder hoben sich nur undeutlich ab; man sah nur an der Erhöhung, daß da lang ausgestreckt ein Mensch lag. Ringsherum war auf dem Fußende des Bettes, auf den beim Bett stehenden Sesseln, sogar auf dem Fußboden die abgelegte Kleidung unordentlich hingeworfen: ein reiches weißseidenes Kleid, Blumen, Bänder. Auf einem kleinen Tischchen am Kopfende blitzten die abgelegten und durcheinandergeworfenen Brillanten. Am Fußende waren Spitzen zu einem Klumpen zusammengeknüllt, und auf den weißen Spitzen wurde, unter dem Leinentuch hervorschauend, eine nackte Fußspitze sichtbar; sie sah wie aus Marmor gemeißelt aus und war von einer erschreckenden Regungslosigkeit. Der Fürst blickte hin und fühlte, daß, je länger er hinblickte, die Totenstille im Zimmer immer drückender wurde. Auf einmal fing eine erwachte Fliege zu summen an, flog über das Bett hin und verstummte am Kopfende. Der Fürst fuhr zusammen.
    »Gehen wir!« sagte Rogoshin, indem er seine Hand berührte.
    Sie gingen hinaus und setzten sich wieder auf dieselben Stühle, wieder einander gegenüber. Der Fürst zitterte immer stärker und wendete seinen fragenden Blick nicht von Rogoshins Gesicht ab.
    »Du zitterst ja, wie ich sehe, Lew Nikolajewitsch«, sagte Rogoshin endlich. »Fast wie in den Zeiten, wo du schwer leidend warst, erinnerst du dich, es war in Moskau? Oder wie einmal vor einem Anfall. Und ich weiß gar nicht, was ich mit dir jetzt anfangen sollte...«
    Der Fürst strengte beim Zuhören alle seine Kräfte an, um das Gesagte zu verstehen, sein Blick hatte noch immer denselben fragenden

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