1821 - Aus den Tiefen der Hölle
Wie war er noch genannt worden – Teufelspulver. Die meisten nannten die Droge Crystal. Sie war brutal gefährlich, schlimmer als Heroin, aber sie war auf dem Vormarsch, und es gab Gerüchte, dass der Teufel selbst sie angerührt hatte.
Wer sie nahm, war happy. Bis die Wirkung aufhörte, dann kam die große Ernüchterung. Zuerst verschwammen die Bilder und wurden von neuen ersetzt. Und die hatten es in sich. Sie waren brutal, sie waren grausam, als hätte die Hölle ihre Magazine geöffnet, um ihren Opfern die Bilder ins Gehirn zu brennen.
Diese Phase lag hinter Jenny Price. Jetzt drehte sich alles um ihre Erschöpfung. Sie spürte sie mit jeder Faser ihres Körpers. Ohne die Stütze des Geländers hätte sie sich nicht mehr auf den Beinen halten können. Sie umklammerte es, sie blieb ganz ruhig und war froh, dass ihre Beine nicht mehr nachgaben.
Erholung. Sie brauchte Erholung. Dann konnte sie auch den Rest der Strecke zurücklegen. Es war ja nicht mehr weit bis zu ihrem Ziel. Kleine Container standen jenseits der Umzäunung. Dahinter stachen die hohen Mauern des Krankenhauses in den Himmel. Der Müll aus dem Hospital war ihre letzte Hoffnung. Es gab da gewisse Pflaster, die sie nehmen konnte, um ihre Sucht etwas abzuschwächen. Danach würde sie sehen müssen, wie sie an Geld kam, um sich einen neuen Stoß zu kaufen, wie sie immer sagte.
Sie musste nur noch eine kurze Strecke laufen. Sie zitterte noch immer. Darüber ärgerte sie sich. Aber es ging nicht anders. Schließlich gab sie sich einen Ruck und stieß sich ab.
Jenny hatte Schwierigkeiten, sich normal zu bewegen. Sie schwankte von einer Seite zur anderen, aber sie biss die Zähne zusammen, weil sie nicht aufgeben wollte. Sie musste das Zeug einfach bekommen. Wenn nicht, dann drehte sie durch, dann war alles zu spät.
Jenny Price wusste, wie sie auf das Gelände des Krankenhauses gelangte. Es war zwar eingezäunt, aber da gab es im Zaungitter eine Tür, die an den Seiten aus Verstrebungen bestand. In der Mitte aber aus Draht. Und der Draht war aufgerissen worden. So konnte jeder, der wollte, auf das Gelände des Krankenhauses gelangen.
Sie schwankte weiter. Ihr Blick war starr geworden und auf das Ziel gerichtet. Hinter ihrer Stirn tuckerte es, und aus ihrem halb geöffneten Mund wehten leise Stöhnlaute.
Vor der Tür hielt sie an. Sie legte ihre Hand gegen den Draht, drückte dagegen und schaute zu, wie das Gitter nachgab. Jetzt war der Weg frei.
Jenny duckte sich, kletterte durch die Tür, und war gleich darauf auf der anderen Seite.
Geschafft!
Jenny blieb stehen, weil sie sich für eine Weile ausruhen wollte. Und auch musste, denn der kurze Weg hatte sie angestrengt. Dass sie entdeckt wurde, war unwahrscheinlich, denn es hielt sich niemand in der Nähe auf.
Die kleinen Container standen in einer Reihe hintereinander. Sie waren zwar relativ hoch, aber als normal gewachsener Mensch kam man gut zurecht.
Bevor sie eine Deckelhälfte zur Seite schob, holte sie Luft und blickte sich noch einmal um. Auf keinen Fall durfte sie sich erwischen lassen.
Jenny schob den Deckel zurück. Am Rand der Öffnung stützte sie sich auf, drückte sich hoch und sah vor sich den Inhalt.
Wer wühlte schon in Krankenhausmüll herum? Ein normaler Mensch bestimmt nicht. Da musste es einem schon sehr schlecht gehen, um zwischen dem gebrauchten Mull und den oft blutigen Verbänden das Richtige zu finden.
Für sie waren bestimmte Pflaster wichtig. Auch wenn sie schon ausgelaugt waren, enthielten sie doch Spuren des Rauschmittels, auf das sie so scharf war und das ihr weiterhelfen konnte.
Jenny fing an, den Inhalt des Containers zu durchwühlen. Sie musste auf Einwegspritzen achtgeben, damit sie sich daran nicht verletzte.
Wenn jemand Routine im Durchwühlen der Container hatte, dann war sie es. Plötzlich war ihre Schwäche vorbei. Sie arbeitete mit beiden Händen. Sie schob Mull und Verbandzeug zur Seite.
Pflaster! Wo fand sie das Pflaster?
Je mehr Zeit verstrich, umso ungeduldiger wurde sie. Aus ihrem Mund drang ein heftiges Keuchen. Sie wurde zu einer Furie und schleuderte die weichen Reste in die Höhe.
Wo steckten die Pflaster? Sie konnte nicht glauben, dass sich keine im Container befanden. Bisher hatte sie immer Pflaster gefunden, und das konnte heute nicht anders sein – oder?
Es war auch nicht anders.
Sie hatte Glück. Die Pflaster lagen weit unten, fast am Boden, und sie hatte sich tief bücken müssen. Dabei war das andere Zeug über sie gefallen und
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