Jägerin der Nacht 03 - Dawnbreaker
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Die Reifen quietschten.
Wir rasten mit fast hundert Sachen um die Kurve und kamen ins Schleudern. Ich stemmte mich gegen den Fahrersitz und biss die Zähne zusammen, um einen erneuten Fluch zu unterdrücken, als Knox uns weiter durch das Wohngebiet jagte und dabei knapp ein parkendes Auto verfehlte. Ein zweiter Satz quietschender Reifen war uns dicht auf den Fersen, während ein Ford Mustang mit wachsender Geschwindigkeit hinter uns herbrauste.
„Schaff uns aus der Stadt raus, verdammt!", schrie ich Knox an. Bei dieser Geschwindigkeit mussten wir bald jemanden rammen, aber da die Naturi aufholten, konnten wir es nicht riskieren, langsamer zu werden. Wir mussten aus der Stadt raus, bevor wir jemanden umbrachten oder die Cops von Savannah doch noch auf die beiden Autos aufmerksam wurden, die da mit halsbrecherischer Geschwindigkeit durch die Stadt rasten. „Wenn das so einfach wäre!", brüllte Knox zurück. Er hielt das Lenkrad mit beiden Händen so fest umklammert, dass die Knöchel weiß hervortraten. „Als wir die Innenstadt hinter uns hatten, hast du gesagt, ich soll sie abschütteln, nicht dass ich die Stadt verlassen soll."
„Schön, dann sag ich es jetzt. Fahr, zum Teufel noch mal, aus der Stadt raus. Sonst bringst du noch jemanden um", blaffte ich. „Und zwar uns", fügte Amanda vom Rücksitz aus hinzu. Neben der blonden Nachtwandlerin saß Tristan, der das Ganze ziemlich locker zu nehmen schien. Aber Tristan war mit mir natürlich schon in viel schlimmere Situationen geraten und hatte es überlebt. „Ich bringe uns schon nicht um", knurrte Knox, während er eine weitere Kurve viel schneller nahm, als es ratsam gewesen wäre. „Das hier ist ein BMW M3. Ein Rennauto für die Reichen und Gelangweilten. Der Wagen hält das aus."
„Nein, Knox, sag deine Meinung ruhig freiheraus", fauchte ich. Der BMW war mein Auto. Ich hatte beschlossen, Knox fahren zu lassen, als ich bemerkt hatte, dass die Naturi uns auf dem River Walk verfolgten - mir war klar, dass ich möglicherweise freie Hände brauchte, wenn es uns nicht gelingen würde, sie abzuschütteln. Ich zog meine Pistole aus dem Handschuhfach und überprüfte das Magazin. „Du weißt schon, wie ich's meine." Der Nachtwandler warf mir einen raschen Blick zu und verzog den Mundwinkel zu einem schwachen Grinsen.
„Reich und gelangweilt", wiederholte ich trocken. „Müssen wir das wirklich ausgerechnet jetzt diskutieren?", flehte Amanda, als Knox um die nächste Kurve schlitterte und das Nummernschild eines parkenden Autos abriss. „Knox!" „Mira!", schrie er zurück. „Lass mich fahren, oder mach es selbst!" Aber dafür war es zu spät. Die Naturi kamen mit jeder Biegung näher. Ihnen war es egal, ob sie auf dem Weg jemanden rammten, und genau darum mussten wir sie aus der Stadt lotsen.
Ich entspannte mich etwas, als wir in die Montgomery Street einbogen. Die Ausfahrt zum Highway 16 befand sich ganz in der Nähe. Endlich würden wir die Stadt hinter uns lassen und offenes Gelände gewinnen. „Mira", sagte Tristan gedämpft und suchte im Rückspiegel meinen Blick. „Ist es wirklich klug, die Stadt zu verlassen?"
Etwas von der Anspannung in meinen Schultern mochte sich gelöst haben, aber die Besorgnis lag mir immer noch schwer im Magen. Ich wusste, worauf seine Frage abzielte. Wir verließen die vergleichsweise sichere Stadt und riskierten einen Kampf auf dem Territorium der Naturi, wenn wir ins offene Land hinausfuhren.
Naturbeherrschung war ihre Stärke. Tristan hatte schon einmal im Wald mit mir gegen die Naturi gekämpft, und der Kampf war nicht allzu gut ausgegangen. Er war beinahe von einem Naturi des Tierclans in Stücke gerissen worden, und mich hatten Angehörige des Wind- und Erdclans beinahe aufgespießt. Und dieses Mal hatten wir weder Danaus noch Sadira dabei, die uns den Hintern retten würden.
„Uns bleibt einfach keine andere Wahl", räumte ich ein und sah ihn mitleidig an, weil ich seine Furcht verstehen konnte. „Ich habe nicht die Absicht, diesen Krieg vor den Augen der Menschen auszufechten, wie es die Naturi gerne hätten." „Kannst du sie nicht anzünden oder so?", drängte Amanda und zappelte unruhig auf dem Rücksitz herum. Die Nachtwandlerin war ganz wild darauf, sich endlich in den Kampf zu stürzen. Weglaufen war einfach nicht ihr Stil. Klauen und Zähne einzusetzen war ihr allemal lieber, und dabei hinterließ sie regelmäßig zerfetztes Fleisch und Seen von Blut. Das machte sie zu einer guten Einpeitscherin
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