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Der Idiot

Der Idiot

Titel: Der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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ab!‹ und ich tue es noch heute. Oh, was kostet es Sie, dieses eine Wort zu sagen! Ich erbitte dieses Wort nur als Zeichen Ihrer Teilnahme und Ihres Mitleids mit mir – nur in diesem Sinne! Weiter soll es nichts sein, nichts ! Ich wage nicht, irgendwelche Hoffnung zu hegen, weil ich solcher Hoffnung nicht würdig bin. Aber wenn Sie dieses Wort gesprochen haben, werde ich von neuem meine Armut auf mich nehmen und meine verzweifelte Lage mit Freuden ertragen. Ich werde in den Kampf eintreten; ich werde mich seiner freuen und in ihm neue Kraft gewinnen!
    Senden Sie mir dieses Wort der Teilnahme ( nur der Teilnahme, das schwöre ich Ihnen!). Zürnen Sie nicht über die Kühnheit eines Verzweifelnden, Ertrinkenden, der eine letzte Anstrengung zu machen gewagt hat, um sich vor dem Untergange zu retten!
    G. J.«
    »Dieser Mensch versichert«, sagte Aglaja scharf, als der Fürst zu Ende gelesen hatte, »daß das Wort ›Brechen Sie »Dann fing ich bei irgendeinem Anlaß an, von Gesichtern zu sprechen, das heißt von dem Ausdruck der Gesichter, und sagte, Aglaja Iwanowna sei fast ebenso schön wie Nastasja Filippowna. Und da kam ich denn auch auf das Bild zu sprechen....«
    »Aber Sie haben nichts mitgeteilt, Sie haben doch nichts von dem mitgeteilt, was Sie vorher im Arbeitszimmer gehört hatten? Nein? Nein?«
    »Ich wiederhole Ihnen, daß ich es nicht getan habe.«
    »Aber woher dann, zum Teufel.... Ha! Hat Aglaja den Brief etwa der Alten gezeigt?«
    »Was das betrifft, kann ich Ihnen bestimmt garantieren, daß sie es nicht getan hat. Ich war die ganze Zeit dabei, sie hatte auch gar keine Zeit dazu.«
    »Aber vielleicht haben Sie selbst etwas nicht bemerkt.... Oh, dieser ver-r-dammte Idiot!« schrie er auf einmal ganz außer sich, »er kann nicht einmal etwas erzählen!«
    Ganja, der nun einmal ins Schimpfen hineingeraten war und keinen Widerstand fand, verlor allmählich alle Selbstbeherrschung, wie das bei manchen Menschen immer ist. Es fehlte nicht viel, und er hätte vielleicht zu spucken begonnen, so wütend war er. Aber eben infolge dieser Wut war er auch wie blind; sonst hätte er längst bemerken müssen, daß dieser »Idiot«, den er so verächtlich behandelte, manche Dinge sehr schnell und genau durchschaute und außerordentlich klar darzustellen wußte. Doch auf einmal geschah etwas Unerwartetes.
    »Ich muß Ihnen bemerken, Gawrila Ardalionowitsch«, sagte der Fürst plötzlich, »daß ich zwar früher in der Tat so krank war, daß ich wirklich fast einem Idioten glich, aber jetzt bin ich schon längst wiederhergestellt, und daher ist es mir einigermaßen unangenehm, wenn man mich, mir ins Gesicht, einen Idioten nennt. Allerdings kann man Ihre Mißerfolge als Entschuldigung für Sie geltend machen, aber Sie haben mich in Ihrem Ärger schon zweimal mit Schimpfnamen belegt. Das mißfällt mir sehr, namentlich auch, da Sie es so ohne weiteres gleich beim Beginn unserer Bekanntschaft tun, und da wir uns jetzt gerade an einer Straßenkreuzung befinden, so ist es wohl das beste, wenn wir uns trennen: gehen Sie rechts nach Ihrer Wohnung, und ich werde links gehen. Ich bin im Besitz von fünfundzwanzig Rubel und werde wohl irgendein hôtel garni finden.«
    Ganja wurde höchst verlegen und errötete sogar vor Scham.
    »Verzeihen Sie, Fürst!« rief er eifrig, indem er seinen scheltenden Ton schnell mit einem äußerst höflichen vertauschte. »Ich bitte Sie inständig, verzeihen Sie mir! Sie sehen, in welcher entsetzlichen Lage ich mich befinde! Sie wissen noch fast nichts darüber, aber wenn Sie alles wüßten, würden Sie mich gewiß wenigstens einigermaßen entschuldigen, obwohl selbstverständlich mein Verhalten unentschuldbar ist...«
    »Oh, ich beanspruche gar nicht so lange Entschuldigungen«, beeilte sich der Fürst zu erwidern. »Ich begreife ja, daß Ihre Lage sehr unangenehm ist und Sie deswegen schimpfen. Nun, dann wollen wir nach Ihrer Wohnung gehen. Ich tue es mit Vergnügen ...«
    ›Nein, so darf ich ihn jetzt nicht davonlassen‹, sagte sich Ganja im stillen, während er unterwegs dem Fürsten grimmige Blicke zuwarf. ›Dieser schlaue Patron hat mir alle meine Geheimnisse entlockt und nun auf einmal die Maske abgeworfen... Das hat etwas zu bedeuten... Nun, wir wollen sehen! Es wird sich alles entscheiden, alles, alles! Noch heute!‹
    Sie standen schon gerade vor dem Hause.

VIII
    Ganjas Wohnung befand sich im dritten Stock, zu dem man auf einer sehr sauberen, hellen, breiten Treppe hinaufstieg, und

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